Kategorie-Archiv: Reisen und Weltanschauung

Auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk V

11.Juni

Es klingt seltsam. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der rechte Zylinder meiner URAL andere (unschönere) Geräusche von sich gibt als der linke. Die Leerlaufdrehzahl stimmt auch nicht mehr, was vor allem im morgendlichen Warschauer Berufsverkehr ziemlich lästig ist. Irgendwann kann ich es nicht mehr ignorieren. Rechts ran und eine kurze Inspektion. Der Schaden ist schnell gefunden. Der Ansaugstutzen aus Gummi am Zylinderkopf ist gerissen. Na ja… ist nicht tragisch, sowas gehört zum Ersatzteilumfang. Dreißig Minuten später läuft es wieder.

Erster Defekt - aber kein Highlight

Erster Defekt – aber kein Highlight

Ich bin auf dem Weg in den polnischen Nordosten, nach Wigry in der Nähe von Suwałki. Wieder einmal endlose Straßen Richtung Litauen und Weißrussland. Nach der Behebung des kleinen Schadens verläuft der Tag ereignisarm. Viel Zeit zum Sinnieren.

Auf vdem Weg nach Wigry- Rast auf dem Feldweg

Auf dem Weg nach Wigry- Rast auf dem Feldweg

Am Abend bin ich auf dem schönsten Campingplatz, den ich in Polen kenne, direkt am Kloster.

Der schönste Campingplatz in Polen

Der schönste Campingplatz in Polen

Morgen ist Ruhetag.

 

Auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk IV

10. Juni 2014

Warschau ist alt, ist neu, ist schnell, ist langsam… Warschau ist von allem etwas. Ich sehe überall noch die Spuren der kommunistischen Vergangenheit und spüre gleichzeitig den Hunger, westlich sein zu wollen. Moderne Wolkenkratzer neben Stalins Zuckerbäckerstil.

Clash of Cultures

Clash of Cultures

Verkehr, wie in jeder europäischen Großstadt. Ich weiß von Beginn an, dass sich mir diese Stadt an nur einem Tag nicht erschließen wird. Warschau braucht seine Zeit. Ich versuche mir die Stadt zu erlaufen, Eindrücke aufzusaugen, herauszufinden, ob sich ein Wiederkommen lohnt. Mehr kann man von einem Tag nicht erwarten.

Warschau, so wie wir es heute sehen, ist eine neue Stadt. Im Krieg komplett zerstört, wurde es mit unbändigem Ehrgeiz wieder aufgebaut. Ein Ehrgeiz, der mit dem Ende des Sozialismus noch einmal richtig angefacht wurde. Die Skyline könnte auch die von Frankfurt sein. Wolkenkratzer mit den allzu bekannten Logos. Zwischen ihnen, typisch Osten, bewachte Parkplätze mit windschiefen Bretterbuden für die Wächter. So etwas gibt’s nur östlich der Oder. Boulevards mit edlen Boutiquen und mittendrin ein fliegender Händler, der Kohlköpfe aus dem PKW heraus verkauft.

Der Dealer

Der Dealer

Dazwischen Patriotismus pur: Monumente für die Streitkräfte, religiös verbrämte Mahnwachen für abgestürzte Präsidenten und allgegenwärtig Jan Pawel II.

Die Menschen sind in Eile und scheinbar mit ihren Smartphones verwachsen, Speed, business as usual.

Nicht ohne mein Smartphone

Nicht ohne mein Smartphone

Und dann plötzlich, am Weichselufer, von einem Schritt auf den anderen, Ruhe. Die gleichen Menschen, die soeben noch ferngesteuert durch ihre Stadt gelaufen sind, sitzen im Liegestuhl am Flussufer, ein Bier in der Hand, und sind komplett abgebremst. Ich setze mich dazu, gucke auf den Fluss, lausche den Gesprächen, ohne sie zu verstehen und bin auf einmal euphorisch. Das Gefühl kommt auf, dass ich mich in Warschau wohlfühlen könnte.

Entschleunigt an der Weichsel

Entschleunigt an der Weichsel

Weiter in die Altstadt. Ein bauhistorisches Phänomen. Im Krieg durch die Deutschen total zerstört, wurde die Altstadt eins zu eins wieder aufgebaut. Sie ist praktisch neu und man sieht es ihr nicht an. Dagegen wirkt der Dresdner Neumarkt wie eine Modelleisenbahnanlage.

Neue Altstadt

Neue Altstadt

Ich bin einen ganzen Tag durch diese faszinierende Stadt gelaufen. Am Ende, physisch ausgelaugt, bleibt der Eindruck, die Oberfläche nicht einmal angekratzt zu haben. Die Stadt ist ein Moloch und hat das Potential zur Droge. Völlig erschöpft komme ich zurück auf den Zeltplatz.

Do widzenia Warszawa! Morgen geht es auf weiter auf meiner Reise auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk.

Auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk III

9. Juni 2014

„Sorry, I have no free places!“ Die Dame hinter dem Tresen guckt mich mitleidig an. Es war eine ziemlich harte Tour von  Częstochowa nach Warschau. Die Gegend südlich der Hauptstadt ist nicht gerade ein touristischer Hotspot. Schnurgerade Straßen in einförmiger Landschaft; die polnische Provinz. Und es ist heiß. Jeder Ampelstopp bringt mich zum Kochen, fast im wörtlichen Sinn. Man sitzt in der Kluft auf dem Motorrad, sieht die gemäß des Wetters gekleideten Damen und denkt sich so seinen Teil…Das einzige Highlight ist eine zum Restaurant umgebaute IL 18.

Zweitnutzung

Zweitnutzung

Kilometer fressen, sonst nichts. Ich hatte mir einen Campingplatz am Stadtrand von Warschau auf dem östlichen Weichselufer ausgesucht. Die Route dorthin sollte durch die Stadt gehen.

Warschau

Warschau

Hat sich als schlechte Idee erwiesen. Im Verkehrsgewühl verfahre ich mich und hab irgendwann komplett die Orientierung verloren. Einen richtigen Stadtplan habe ich natürlich nicht. In Richtung der Weichselbrücken nur noch Schrittgeschwindigkeit. Macht mit der URAL so richtig Spaß… Also noch mal 25 km in den Süden, in der Hoffnung, dass der Weichselübergang bei Gora Kalwaria einigermaßen passierbar ist. Gefühlte einhundert LKW-Fahrer hatten den gleichen Gedanken. Aber irgendwann bin ich drüben. Einen Stadtplan habe ich mir an der nächstbesten Tankstelle gekauft. Der Zeltplatz: vor meinem inneren Auge schon eine Dusche und ein kaltes Bier. Ich bin verdreckt, durchgeschwitzt und hungrig, kein Wunder nach fast dreihundert Kilometern auf der Landstraße. Aber die Dame lässt nicht mit sich handeln: no free places. Sie empfiehlt mir einen anderen Platz. Heißt aber nochmal quer durch die Stadt und wieder über den Fluss. Ich bin satt, aber was bleibt mir übrig. Warschau von seiner schönsten Seite: fünfspurige Straßen und alle Spuren belegt. Langsam habe ich Angst um’s Motorrad. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schrittgeschwindigkeit für einen luftgekühlten Motor bei diesen Temperaturen gesund ist. Irgendwann bin ich da, und dann gibt’s auch das ersehnte „Kulturprogramm“…

Morgen ist Warschau dran.

Auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk II

8. Juni 2014

Ich traue meinen Augen nicht: die Polen checken ihre Smartphones während des Gottesdienstes. Und singen trotzdem inbrünstig mit. Okay, es ist nur ein Einziger, den ich dabei beobachte, aber immerhin. Hätte ich hier nicht vermutet.

Ich habe heute früh die restlichen dreißig Kilometer nach Częstochowa (Tschenstochau) zurückgelegt, die ich gestern nicht mehr geschafft habe. Polen ist ein katholisches Land, das ist soweit nichts Neues aber  Częstochowa ist diesbezüglich ein Hotspot. Schließlich ist hier die Heimat der Schwarzen Mutter Gottes, einer polnischen Staatsreliquie. Die Schwarze Madonna soll im Laufe der Jahrhunderte Polen schon etliche Male aus misslichen Situationen befreit haben. Wahrscheinlich war das Gemälde ursprünglich mal eine byzantinische oder russische Ikone aber so genau weiß das heute niemand mehr.  Częstochowa ist jedenfalls ein Wallfahrtsort und entsprechend voll war es zu Pfingsten auch. Der Besuch von Jasna Gora, so heißt das Sanktuarium, muss einfach sein. Aber bevor man dort ist, kämpft man sich durch einen „Speckgürtel“ von Religionskirmes: Devotionalienhändler, ambulante Gastronomie, Bands.

Draht nach ganz oben

Draht nach ganz oben

Ich bin gewiss weit davon entfernt, in irgendeiner Art religiös zu sein aber der Wucht dieses Ortes kann ich mich schwer entziehen. Eine sakrale Pracht, die einen fast erschlägt. Mir wird bewusst, wie tief der katholische Glauben in der polnischen Gesellschaft verankert sein muss. Wenn man sieht, wie selbstverständlich Menschen allen Alters vor den Reliquien und Heiligenbildern knien, sich bekreuzigen, beten, dann ahnt man, wie eng die Verflechtung ist. Da ist nichts Gekünsteltes, es gehört hier einfach zum Leben. Okay, Smartphone checken ist dann auch noch drin aber wer wird denn kleinlich sein. Und Jan Pawel, wie der Heilige Vater a.D. hier genannt wird, ist allgegenwärtig. Verständlich, dass es der Kommunismus in Polen besonders schwer hatte.

Andacht

Andacht

Die Stadt selbst wirkt verloren, nicht sonderlich belebt. Mag auch daran liegen, dass Feiertag ist und die Temperaturen deutlich über dreißig Grad liegen.

Boulevard of Broken Dreams

Boulevard of Broken Dreams

Eine Kochshow auf offener Bühne mit einem Dutzend begeisterter Rentner als Zuschauer, jede Menge Imbissbuden – das war’s eigentlich. Ich laufe durch unbelebte Seitenstraßen, die in der Hitze wie erstarrt wirken. Vereinzelt sitzen Leute in den Hauseingängen, Hunde. Bröckelnde Fassaden konkurrieren mit greller Reklame kleiner Läden. Ein Bild, welches so typisch für den Osten ist. Das Leben wirkt irgendwie unbeschleunigt.

Eastern Sidestrip

Eastern Sidestrip

Morgen geht es weiter auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk – erstmal nach Warschau. Bis jetzt macht die URAL keine Schwierigkeiten. Die Straßen sind gut. Hoffentlich bleibt es so.

 

Auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk I

7.Juni 2014

„It’s a good machine!“ Der Pole in seinem Skoda Oktavia hebt anerkennend den Daumen als er mich am Straßenrand kurz hinter Görlitz, oder vielmehr Zgorzelec, stehen sieht. Mit meiner URAL, einer russischen Seitenwagenmaschine, errege ich doch immer wieder Neugier. Das Fernweh hat mich wieder einmal gepackt und wie so oft zieht es mich unwiderstehlich in den Osten. Ich bin oft gefragt worden, wo meine Faszination herrührt, die die Gegend östlich der Neiße auf mich ausübt. Ich kann es nicht sagen. Aber immer wieder habe ich das Gefühl, in eine andere Welt abzugleiten, wenn ich diesen Fluss überschreite. Alles scheint hier anders zu sein, fremdartig. Ich bin wieder auf dem Weg. Wenn alles gut läuft, wird mich dieser Weg auf dem Motorrad bis nach Russland, von Dresden nach Murmansk, führen. Ich hoffe, dass die URAL durchhält und mir keine nennenswerten Probleme macht. Klar, der Beiwagen ist vollgepackt mit Werkzeug und Ersatzteilen. Aber wie das so ist, das, was man dabei hat, braucht an am Ende nicht.

Der Weg ist das Ziel. Kaum eine Formulierung klingt abgedroschener, finde ich. Und doch, die Landstraße fasziniert mich. Vorwärts,… die nächste Stadt, die nächste Grenze. Es ist zum Verrücktwerden. Dieses eigenartige Gefühl, die nächsten Wochen nicht mehr zu Hause zu sein, sondern jeden Tag woanders. Es beeindruckt und beunruhigt zugleich.

Schlesien, ein Land irgendwie dazwischen. Noch nicht ganz Osten und doch auch nicht mehr ganz Westen. Die Bauernhöfe, die alten Gebäude in den Städten, sie sind vom Baustil her vertraut. Dazwischen das, was den Osten ausmacht: die Reklame einen Tick greller, das Fehlen der westlichen Sterilität, wo alles seine Ordnung hat, die kleinen Läden, Menschen auf den Straßen, die Reduktion von Verkehrsregeln. Und die polnischen Frauen gehören zu den Schönsten, finde ich.

 

Irgendo in Polen

Irgendwo in Polen

Die URAL rollt. Jelenia Gora (Hirschberg) lasse ich hinter mir. Das Riesengebirge mit der Schneekoppe wirkt faszinierend. Weiter durch Städte wie Swidnica (Schweidnitz) und unzählige Dörfer, die voller Leben sind. In Opole (Oppeln) möchte ich die Tagesetappe beenden. Aber es ist irre, die Stadt ist voller Menschen und keine Chance, eine Unterkunft zu kriegen.

Weiter auf endlosen Landstraßen. Es wird dunkel und merklich kühler. Weiter,… Schließlich lande ich in Lubliniec. Ich nehme meine rudimentären Polnischkenntnisse zusammen und kriege tatsächlich ein Zimmer. Das Hotel ist ein grauer Zweckbau, wahrscheinlich noch aus sozialistischen Zeiten aber das Zimmer ist in Ordnung. Die Tageszeit (22:00) macht auch kompromissbereit.

Morgen geht’s weiter auf dem Motorrad  von Dresden nach Murmansk, erstmal nach Czestochowa (Tschenstochau). Berühmter polnischer Wallfahrtsort, mal sehen. Wird eine kurze Etappe.

Von Grenze zu Grenze VII

RR 7                                                                                                                        13.03.2014

Der letzte Tag bricht an. Die Nacht war doch besser als gedacht. Ich schäl mich aus dem Schlafsack, packe meinen Kram und gehe frühstücken. Heute stehen nochmal 50km auf dem Programm. Da wir aber schon kurz vor der Ostsee sind und der Schnee nun wirklich(!) knapp wird, soll es keine ganze Etappe sein, sonder eine Strecke in einem Skigebiet kurz vor Tornio namens Kalli– und zwar 25km hin und 25km zurück auf einer preparierten Loipe. Wir fahren natürlich erstmal mit dem Bus dahin. Die erste Runde geht wirklich gut. Die Skier laufen und der Schnee ist den Umständen entsprechend sehr brauchbar. Der Verpflegungspunkt ist eine gemütliche Hütte mit Eierkuchenausschank.

Ziemlich viele Mitreisende nehmen ab hier den Bus. Die gleiche Strecke nochmal zurück zu laufen ist nicht sonderlich attraktiv. Ich fühle mich nach der Erkältung aber mittlerweile wieder etwas besser und mache mich auf den Weg. Es geht nicht mehr ganz so gut wie am Morgen, da die Loipe durch die ansteigenden Temperaturen doch ziemlich gelitten hat. Man könnte auch sagen, dass die letzten Kilometer eher Wasserskilaufen war. Egal, irgendwann bin ich da und glücklich, wieder mal den größten Teil geschafft zu haben.

Nachmittags noch ein kurzer Stadtbummel in Tornio (wir wohnen im City Hotel) und dann beginnt das Abendprogramm. Das hat auf dieser Tour eine besondere Bewandtnis und einen festen Ablauf. Es gibt ein festliches Abendessen für alle – drei Gänge in einem zivilisierten Ambiente und danach Kulturprogramm. Jede(!) teilnehmende Nation muss einen Beitrag liefern. Kleinere Teams mit zwei bis drei Leuten dürfen sich befreundeten Nationen anschließen. Bei uns macht der dänische Kollege mit. Zum Glück haben wir mit Volker einen professionellen Schauspieler in der Truppe, den wir nicht lange bitten müssen, als Regisseur tätig zu werden. Der Kerl geht auf in dieser Rolle… J

Es gibt von uns eine Art Stehgreif-Theaterstück mit Schafen, Wölfen, dänischen Skilangläufern und Aliens. Keiner versteht die Handlung (gibt nämlich keine) aber der Spaß ist riesig- Gejohle im Saal. Gab’s nicht immer. In den anderen Jahren haben sich die Deutschen mit lockerer Kultur doch eher schwer getan. Hier kommt auch noch mein Kopfmassagegerät zu Einsatz- als Kopfschmuck des Alien, der die Schafe klaut, weswegen es jetzt in Finnland zu warm ist- so ungefähr der Schluss des Theaterstücks. Sehr intellektuell, finde ich. 🙂

 

Noch ein Absacker an der Hotelbar und dann war es das auch schon wieder mit der RR. Der Skimarathon Von Grenze zu Grenze 2014 ist vorbei.

Fazit: Eine wunderbare Woche, trotz widrigen Bedingungen. Klasse Leute und die Organisatoren haben das Allerbeste draus gemacht.

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Wen die Gesamtstrecke im Original interessiert, der schaue bitte hier…

Von Grenze zu Grenze VI

RR 6                                                                                                                        12.03.2014

Einigermaßen die Nacht verbracht. Frühstück und los. 55 km nach Honkamaa stehen auf dem Programm. Aber erstmal wieder Bustransport zur Loipe wegen…eben!

Geht über leicht hucklige Wege durchs Unterholz. Blauer Himmel, Sonnenschein, was will man mehr… Na ja, weniger vereiste Strecken wären nicht schlecht. Eigenartigerweise werden die Servicestationen etwas spartanischer. Erstens nicht so dicht gestaffelt und das Angebot ist manchmal nur der „berühmte“ warme Juice, den ich langsam nicht mehr sehen kann 🙂 . Letztendlich ist aber doch von allem genug da. 13 km vor Schluss heißt es, die Skier abschnallen und laufen – gar kein Schnee mehr. Die letzten 10km kann man theoretisch wieder Skilaufen, aber wie… Kurvenreich durchs Unterholz,Wurzeln, Dreck, stellenweise Eis. Ein Albtraum… Dass ich mit dieser Sichtweise nicht ganz allein bin, bestätigen mir die Gespräche beim Abendbrot. Die Unterkunft würde ich als eine Art Jugendherberge bezeichnen. Leider nicht ganz für den Ansturm von ca 60 Leuten ausgerichtet, die auch noch streng nach Männlein und Weiblein getrennt werden (müssen).   Da ich spät angekommen bin, sind die besten Plätze weg… Bleibt noch eine Ecke für eine Matratze in einem 10x10m großen Raum, den ich mir mit ca 15 anderen schwitzenden Männern teilen muss. Belüftungsmöglichkeiten gibt leider keine.  Ich glaube, ich schlafe heute draußen. Es ist nicht kalt und der Schlafsack müsste es eigentlich abhalten.

Aber erstmal das Abendprogramm. Üblicherweise gibt’s an diesem Ort eine Tombola, bei welcher allerlei mehr und weniger nützliche Dinge versteigert werden- Mützen, Shirts…und so weiter. Ich gewinne ein eigenartiges Gerät zur Kopfhautmassage. Warum auch immer…

Wer weiß, wozu es gut ist. Abendbrot ist wie immer herrlich. Eintöpfe können die Leute hier irgendwie. Noch 1 bis x Bier (das ist hier nicht allzu stark) und dann entschließe ich mich tatsächlich, meinen Schlafplatz vor der Hütte zu suchen. Ich denke, es ist die bessere Wahl.

Von Grenze zu Grenze V

RR 6                                                                                                                        11.03.2014

Die kürzeste Etappe ever! Aber vorher gibt’s noch einen Zoobesuch in Ranua. Da wollte ich schon immer mal hin… Immerhin Eisbären, auch wenn die sich eigenartig aufführen. Kann auch am  eingesperrt sein liegen, da kriegt man schon einen Knall.

15 km- da braucht man nicht groß drüber reden. War zum Entspannen. Quartier in einer ehemaligen Schule in Hosio, Gott sei Dank ein Viererzimmer erwischt. Auf dem Hof erstmal fettige Wurst am Spiess zum Selberverbrennen.

 

Abends lange Gespräche mit den russischen Teilnehmern. Nein, nicht über die Ukraine und die Krim. Eher über Allerweltsthemen.   War mal gut zum Russischüben.

Von Grenze zu Grenze IV

RR 5                                                                                                                        10.03.2014

Ich hoffe, der Abbruch gestern hat sich gelohnt. Es geht 07:30 mit dem Bus los bei guten Bedingungen. Die Strecke wurde auf 68km verkürzt, da eine Strecke über einen See wegen Frühling geschlossen ist. Stattdessen zwischendrin Bustransfer über 18km.

Die ersten 20km laufen wunderbar. Gespurte Loipe, der Ski läuft klasse, das Geld für’s  Wachsen hat sich offensichtlich gelohnt. Auch die gestrige Ruhepause war wohl keine falsche Entscheidung. Endlich habe ich das Gefühl, dass es so ist, wie es sein soll.  🙂  Es läuft dahin…

Nach ca 23 km verlassen wir die höher gelegenen Gegenden mit einer spannenden Abfahrt und dann wird’s  plötzlich richtig mistig. Keine Loipe mehr, nur Dreck und Eis. Bis zum Busstopp. Dort ist es eher sommerlich… Es ist einfach zu warm. Selbst die Finnen sagen, sie hätten so einen Winter noch nicht erlebt.

Nach dem Mittag geht’s  auf mäßiger Loipe bis ins Ziel nach Ranua. Große Anstiege sind  keine mehr zu verzeichnen und die Gegend ist eher gleichbleibend. Aber verglichen mit den letzten Kilometern am Vormittag geht es eigentlich ganz gut.  Zielbier und Abendbrot und die frohe Botschaft, dass am nächsten Tag nur 15km sind. Wegen der Seen, welche Überraschung…

Die Stimmung in der Truppe ist trotzdem gut und langsam finden sich die ersten internationalen Gesprächsgruppen. Der Lauf ist wahrhaftig international: Finnen (natürlich), Schweden, Norweger, Deutsche, Esten, Russen, Franzosen, Schweizer, ein Däne, eine Irin, Amerikaner, Basken, Katalonen, Spanier (ja, die wollen alle separat genannt werden 🙂 )

Ein allerliebstes Gemisch und die Sprachbarrieren sind minimal. Auch die Eigenheiten der Einzelnen werden offensichtlich- die Esten laufen kurzärmlig und manchmal auch in kurzen Hosen- schwer zu glauben, aber wahr. 🙂

Leo aus der Schweiz hat sich schon am zweiten Tag bei einem Sturz den Arm gebrochen (leider), bleibt aber trotzdem dabei und begleitet seine Tochter. Die Russen und die Esten haben sich eher wenig zu sagen…  Und dass Finnen schweigsam sind, ist ein böswilliges Gerücht. Die sind hier gesellig und gesprächig.

Von Grenze zu Grenze III

Nachdem einige Tage 20. Jahrhundert war, das heisst kein Internetzugriff 🙂 hier der Rückblick auf die letzten Tage…

RR 4                                                                                                                        09.03.2014

Das Aufstehen ist heute besonders schwierig. Der Abfall gestern kam doch nicht von irgendwo her. Über Nacht hat sich eine Erkältung gemeldet, mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen. Sachen packen fällt unendlich schwer. Es stehen 57km nach Syöte auf dem Programm. Nachts hatte es gefroren – die Loipen waren vereist. Hoffen, dass der Klister hält.  Ich mach mich auf den Weg. Es geht erstmal „downhill“- meistens jedenfalls. Skigebiet- das heißt, die Loipen sind prinzipiell da… aber eisig…  jeder kleine Anstieg wird zum Problem. Bergab geht’s dafür rasend schnell. Und das wird mir auch erstmal zum Verhängnis. Die Spur fehlt plötzlich auf 10m und beide Skier fahren in verschiedene Richtungen. Plötzlicher Bodenkontakt an unerwarteter Stelle. Weiter geht’s über vereiste und verdreckte Pisten (Laub, Nadeln, Zapfen…Schotter und Splitt). Und vereiste Seen ohne Schnee, stellenweise angetaut.

Es macht heute einfach keinen Spaß. Dazu kommt die Erkältung und der Gedanke an die ganz lange Etappe morgen. Mittags beschließe ich, den Busjoker zu ziehen. Ich lass mich ins Hotel fahren und leg‘ mich erstmal ins Bett. Vorher noch die Skier zum Profiwachser schaffen, damit der Unsicherheitsfaktor morgen wenigstens reduziert wird.