Auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk IV

10. Juni 2014

Warschau ist alt, ist neu, ist schnell, ist langsam… Warschau ist von allem etwas. Ich sehe überall noch die Spuren der kommunistischen Vergangenheit und spüre gleichzeitig den Hunger, westlich sein zu wollen. Moderne Wolkenkratzer neben Stalins Zuckerbäckerstil.

Clash of Cultures

Clash of Cultures

Verkehr, wie in jeder europäischen Großstadt. Ich weiß von Beginn an, dass sich mir diese Stadt an nur einem Tag nicht erschließen wird. Warschau braucht seine Zeit. Ich versuche mir die Stadt zu erlaufen, Eindrücke aufzusaugen, herauszufinden, ob sich ein Wiederkommen lohnt. Mehr kann man von einem Tag nicht erwarten.

Warschau, so wie wir es heute sehen, ist eine neue Stadt. Im Krieg komplett zerstört, wurde es mit unbändigem Ehrgeiz wieder aufgebaut. Ein Ehrgeiz, der mit dem Ende des Sozialismus noch einmal richtig angefacht wurde. Die Skyline könnte auch die von Frankfurt sein. Wolkenkratzer mit den allzu bekannten Logos. Zwischen ihnen, typisch Osten, bewachte Parkplätze mit windschiefen Bretterbuden für die Wächter. So etwas gibt’s nur östlich der Oder. Boulevards mit edlen Boutiquen und mittendrin ein fliegender Händler, der Kohlköpfe aus dem PKW heraus verkauft.

Der Dealer

Der Dealer

Dazwischen Patriotismus pur: Monumente für die Streitkräfte, religiös verbrämte Mahnwachen für abgestürzte Präsidenten und allgegenwärtig Jan Pawel II.

Die Menschen sind in Eile und scheinbar mit ihren Smartphones verwachsen, Speed, business as usual.

Nicht ohne mein Smartphone

Nicht ohne mein Smartphone

Und dann plötzlich, am Weichselufer, von einem Schritt auf den anderen, Ruhe. Die gleichen Menschen, die soeben noch ferngesteuert durch ihre Stadt gelaufen sind, sitzen im Liegestuhl am Flussufer, ein Bier in der Hand, und sind komplett abgebremst. Ich setze mich dazu, gucke auf den Fluss, lausche den Gesprächen, ohne sie zu verstehen und bin auf einmal euphorisch. Das Gefühl kommt auf, dass ich mich in Warschau wohlfühlen könnte.

Entschleunigt an der Weichsel

Entschleunigt an der Weichsel

Weiter in die Altstadt. Ein bauhistorisches Phänomen. Im Krieg durch die Deutschen total zerstört, wurde die Altstadt eins zu eins wieder aufgebaut. Sie ist praktisch neu und man sieht es ihr nicht an. Dagegen wirkt der Dresdner Neumarkt wie eine Modelleisenbahnanlage.

Neue Altstadt

Neue Altstadt

Ich bin einen ganzen Tag durch diese faszinierende Stadt gelaufen. Am Ende, physisch ausgelaugt, bleibt der Eindruck, die Oberfläche nicht einmal angekratzt zu haben. Die Stadt ist ein Moloch und hat das Potential zur Droge. Völlig erschöpft komme ich zurück auf den Zeltplatz.

Do widzenia Warszawa! Morgen geht es auf weiter auf meiner Reise auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk.

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