Kategorie-Archiv: Politik & Zeitgeschehen

Dresden lebt – weltoffen und tolerant

Kaum ist die Demonstration vorbei, schon geht das kleinliche Gezerre um die Teilnehmerzahlen los. Waren es 35.000, wie offiziell angegeben? Waren es doch nicht so viele, weil man ganz genau weiß, dass auf den Dresdner Neumarkt gar nicht so viele Menschen passen? Diese Spekulationen sind einfach nur kleingeistig. Wir waren viele! Der Dresdner Neumarkt war voll von Menschen, die für ein weltoffenes, tolerantes Dresden stehen. Es war überwältigend, großartig, beeindruckend! Es war ein Zeichen! Dresden ist eben nicht das zurückgebliebene Provinznest, in dem überwiegend braune Banausen und ihre Lemminge leben. Es gibt Hoffnung, dass die Herausforderungen der Zukunft gelöst werden können. Wenn wir am letzten Sonnabend für Toleranz und Weltoffenheit demonstriert haben, dann heißt dies ja im Umkehrschluss nicht, dass wir sämtliche Probleme ignorieren, die durch weltweite Flüchtlingsströme und Zuwanderung entstehen. Es geht auch darum, dass wir, denen uns im Augenblick sehr gut geht, unsere Menschenwürde bewahren. Menschenwürdig ist es jedenfalls nicht, Hilfe suchende Menschen nur auf Grund ihrer Religion abzulehnen. Und dabei nebulös vom Schutz des christlich-jüdischen Abendlandes zu schwurbeln. Das ist nichts anderes als verdeckter Futterneid. Wir müssen uns wehren gegen die, die im Namen ihrer Religion Verbrechen begehen, nicht gegen die Religion an sich. Dafür haben wir Gesetze, dafür haben wir eine Exekutive. Niemand hat nach den Taten eines Breivik das Christentum unter Generalverdacht gestellt.

Nur wenn unsere Zivilgesellschaft funktioniert, wenn wir Probleme offen ansprechen, sind wir in der Lage, Zuwanderungsprobleme zu lösen. Sei es dass, sich Menschen hier wirklich integrieren, sei es, dass sie vorübergehend Schutz finden. Um es mal ganz einfach auszudrücken: Die Flüchtlinge kommen sowieso. Dazu ist viel zu viel los in vielen Teilen der Welt. Abschottung und dumpfe Ressentiments helfen uns auf Dauer nicht. Zuwanderung wird uns, unsere Gesellschaft, vor enorme Probleme stellen. Aber diese sind lösbar. Untergehen werden wir davon nicht. Dies zu zeigen war das Anliegen der Demonstration am Sonnabend. Meines jedenfalls…

Was wollen die eigentlich?

Das Dilemma, oder vielmehr das Unvermögen, der Politik, und hier meine ich Teile unsere gewählten Volksvertreter, wird immer deutlicher. Das Interview, welches Volker Kauder in der „WELT“ gab, ist dafür exemplarisch. Man findet PEGIDA irgendwie nicht richtig.

ZITAT: Ich setze darauf, dass ein guter Teil zunehmend erkennt, dass vieles, was da auf den Kundgebungen gesagt oder auf Transparenten gezeigt wird, nicht akzeptabel ist. ZITATENDE

Was findet denn Herr Kauder, so ganz persönlich, nicht akzeptabel? PEGIDA bietet mit dem veröffentlichten Positionspapier eine überdeutliche Projektionsfläche. Es sind neunzehn Punkte, mit denen man sich ganz konkret, Punkt für Punkt, auseinandersetzen kann. Politiker drücken sich davor. Man ruft lieber zu einem, wie auch immer gemeinten, „Aufstand der Anständigen“ auf (Gerhard Schröder) oder bezeichnet die Demonstranten pauschal als „Schande für Deutschland“ (Heiko Maas). Es ist so einfach, Phrasen zu dreschen, wenn man weit weg ist, nicht nur im „geographischen“ Sinn. Wenn es denn so unanständig, so schändlich für Deutschland ist, warum sind denn dann diese Volksvertreter nicht vor Ort, in Dresden, um sich in die Gegendemonstration einzureihen? Es ist nicht schwer. Ort und Zeit sind bekannt. Wir waren am 22.Dezember ungefähr 5000 Leute. Viel, aber immer noch viel zu wenige. Wir brauchen keine wohlgesetzten Reden. Politik wird derzeit auf der Straße gemacht. Und da liegt das Rechte Team 1:0 vorn, so klar muss man das mal sagen. Hier waren 15.000 Menschen für PEGIDA auf der Straße. Da müssen doch sämtliche Alarmglocken klingeln! Journalisten beklagen die Diffamierung der Medien als „Lügenpresse“. Gleichzeitig wird kaum darüber berichtet, was es denn für Leute sind, die zu den Gegendemonstrationen gehen. Die werden mal am Rande mit erwähnt. Darstellungen, nach denen dies alles organisierte linke Störer sind, bleiben unkommentiert stehen. Mich beschleicht der Verdacht, dass es auflagenträchtiger ist, PEGIDA mit entsprechenden Schlagzeilen eine Plattform zu verschaffen.

Es geht ein Riss durch unsere Gesellschaft. Menschen fühlen sich abgehängt, haben Angst um ihren Wohlstand, ihre Sicherheit, ihre Zukunft. Ja, auch die Vorgänge in der muslimisch geprägten Welt werden, nicht immer zu Unrecht, als Bedrohung wahrgenommen. Ich hatte darüber bereits geschrieben. Das Vertrauen in die Volksvertreter schwindet in einem beängstigenden Tempo. In diese Lücke stoßen Populisten vom rechten und linken Rand. Die mangelnde Gegenwehr, gerade aus der Politik, ist beschämend. Da liegt die Gefahr für unsere Demokratie. Die Aufnahme von Flüchtlichen sprengt weder unsere Sozialssysteme noch unsere Gesellschaft, vorausgesetzt, sie wird als gesellschaftliche Aufgabe begriffen und auch so angegangen. Wir werden wieder auf die Straße gehen. Nicht, weil es so viel Spaß macht, sondern weil es notwendig ist. Ich wehre mich gegen die Vorstellung, dass 15.000 Demonstranten Nazis sind, dass Dresden ein brauner Sumpf ist. Ich kann es mir nicht vorstellen. Viele der Menschen, die dort mitlaufen, kann man (vielleicht noch) gewinnen. Aber nicht, in dem man sie pauschal in die Naziecke stellt und als Schande für Deutschland bezeichnet, sondern in dem man ihre Sorgen ernst nimmt. Volksvertreter jeder Ebene müssen endlich ihre Elfenbeintürme verlassen und auf die Straße gehen. Dort ist das Volk (und dort sind die Wähler). Und nur dort kann man erkennen, wo die wirklichen Probleme liegen.

So, nochmal zum Nachlesen das Positionspapier der PEGIDA mit Antworten darauf. Aus meiner Sicht derartig zutreffend, dass ich nichts mehr hinzufügen möchte.

 

 

Nazikeule, Überfremdungsparanoia und warum mir Weimar einfällt

„Wie lange wird es den Dresdner Christstollen und den Weihnachtsmarkt wohl noch geben?“  Wenn man den Medien Glauben schenken darf, sind das die Sorgen, die die Menschen in Dresden umtreiben. Tumbe Gesellen, fürwahr. Rechts und unterbelichtet, eben aus dem Tal der Ahnungslosen, Ossis. PEGIDA polarisiert. „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“, eine Nummer kleiner geht es scheinbar nicht. Schweigend und scheinbar friedlich marschieren, nein spazieren, sie am Montagabend durch Dresden. Brave Bürger, denen das Wohl ihres Heimatlandes ein Herzenswunsch ist. Auch wenn sie nicht begreifen, dass die Welt hinter Radebeul und Pirna nicht zu Ende ist. Fremde, Muselmänner gar, stören da nur. Aufrechte linke Demonstranten stellen sich ihnen entgegen und verhindern Schlimmeres. Eine schöne, einfache Welt, klar eingeteilt in Gut und Böse, Rechts und Links, Willkommensfreude und Fremdenhass. Man muss eben nur Spiegel-Online und ZEIT lesen.

So einfach ist es dann aber doch nicht. Ja, es gibt sie, die Rechten, die Nazis, die Fremdenhasser. Aber es gibt sie eben auch, die Probleme in den Flüchtlingsunterkünften, die Wirtschaftkriminalität, die fremde Lebensweise. Und die Medien bombardieren uns täglich mit den Auswüchsen einer Religion, die ihre Reformationszeit wohl noch vor sich hat. Dschihad, IS, Ehrenmorde und die vielzitierten muslimischen Paralleluniversen in deutschen Großstädten- täglich werden wir damit (meist undifferenziert) zugekippt. Zeitgleich liest man darüber, wie sehr unsere Wirtschaft schwächelt, wie gefährdet unser Wohlstand ist. Only bad news are good news– allzuoft wird dieses Axiom der Berichterstattung bedient, wohliges Gruseln der (noch) unbeteiligten Medienkonsumenten fördert die Absatzzahlen. Das ist nur die eine Seite. Eine wachsende Anzahl von Menschen in den westlichen Industriestaaten fühlt sich bedroht. Das ist die andere Sichtweise. Hier geht es nicht um eine physische Bedrohung, sondern um die, meist gefühlte, Bedrohung unserer Lebensweise und somit unseres Wohlstandes. Man glaubt zu spüren, wie es stetig bergab geht, wie alles immer teurer wird, die Arbeitslosigkeit steigt, die Kriminalität zunimmt. Ganze Teile der Welt scheinen aus den Fugen zu geraten, Kriege rücken in geographische Reichweite. Es ist ein schwer fassbares, nicht eindeutig zu belegendes Phänomen, frei nach dem Motto: früher war alles besser. Und das war es mit Sicherheit nicht, von drei Jahrzehnten Wohlstandskapitalismus vor 1989 in (West)-Deutschland mal abgesehen. Die Inkarnation der Bedrohung ist seit Menschengedenken der Fremde, der, der anders aussieht, sich anders kleidet, anders spricht und sich anders verhält. Und der scheinbar gänzlich andere Verhaltensnormen und Werte hat. Und dem Islam anhängt, selbstredend.

Fakt ist, dass die Welt sich tatsächlich ändert. Ressourcen werden knapper und teurer, Märkte gesättigter. Die Weltbevölkerung wächst stetig. Dazu brechen, wohl als Nachwirkung des beendeten Kalten Krieges, politische Strukturen zusammen oder ordnen sich neu. Und die neuen Verhältnisse werden für die meisten Menschen dort nicht besser. Wie auch, unter Bürgerkriegsbedingungen? Der Arabische Frühling ist ein Beispiel dafür. Ein idealer Boden für Extremisten und Glaubensfanatiker jeder Schattierung. Aber diesen Dingen müssen wir uns stellen, ob es uns gefällt oder nicht. Die Entwicklungen sind unumkehrbar. Der Westen, als politisches und wirtschaftliches Gebilde, hat dazu seinen Teil beigetragen. Ihn als Hauptschuldigen hinzustellen, trifft das Problem allerdings nicht. Wir werden es nicht verhindern können, dass Menschen fliehen vor Gewalt und Willkür und auch vor völlig desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen, vor Perspektivlosigkeit. Wir würden es nicht anders machen. Was also tun? Die Flüchtlingsboote vor Lampedusa im Meer versenken? Alle zurückschicken? Und dann? Glaubt irgendjemand, dass das Problem dann gelöst ist? Sie werden wiederkommen, denn sie leben oft elend. Der britische Film „Der Marsch“ von 1990 hat die Dinge nahezu prophetisch dargestellt. Es bleibt uns nur eines: dafür zu sorgen, dass es hier ein Miteinander geben kann. Ein Miteinander, dass allerdings nicht frei von Konflikten sein wird. Und ein Miteinander, das zivilisierten Menschen, als die wir uns bezeichnen, würdig ist. Hilfsbereitschaft auf der einen und Integrationsbereitschaft auf der anderen Seite. Asylbewerber an sich stellen weder eine Gefahr für unsere Demokratie noch für unseren Wohlstand dar. Falsches Verhalten der gewählten Volksvertreter, der „Politik“ ist dagegen sehr wohl eine Gefahr. Zehntausend Teilnehmer der PEGIDA- Märsche in Dresden sind beileibe nicht alles Nazis. Aber wenn diese Menschen das Gefühl haben, dass ihre Besorgnisse und Ängste, so unbegründet sie manchmal sind, nicht ernst genommen werden, sie pauschal in eine radikale Ecke gestellt werden, dann werden sie empfänglich für die Botschaften der wahren Rattenfänger. Demagogen vom linken und rechten Rand, die vermeintlich einfache Lösungen anbieten. Dann wird es gefährlich. Das Ende der Weimarer Republik kenne ich, Jahrgang 67, nur aus dem Geschichtsbuch. Nicht einmal meine Großeltern konnten davon berichten. Ist PEGIDA der Ausdruck einer Vertrauenskrise? Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Politik, gegenüber den öffentlich-rechtlichen Medien? Scheint so. Man besuche nur einmal den Forenbereich der PEGIDA- Website. Die Diskussionen um Asylbewerberheime sind nur der Auslöser. Hier gilt es hinzuschauen. Wenn Volksvertreter kollektiv nicht mehr als Volksvertreter wahrgenommen werden, ist die Lage brenzlig. Wir haben es alle in der Hand, dass es nicht so kommt. Weder die Nazikeule noch Überfremdungsparanoia sind geeignete Werkzeuge.

„Es wird mittlerweile als erwiesen angesehen.“

Dieser Satz begegnet mir in Variationen in den Medien täglich mehrmals. Und ich mag ihn mittlerweile nicht mehr lesen noch hören. Worum geht es? In der Ukraine, also in Europa, tobt ein Bürgerkrieg. Ein Krieg, dessen Ursachen lange zurückliegen. Nicht erst die Ereignisse auf dem MAIDAN haben ihn verursacht und auch nicht die „kalte“ Annexion der Krim durch Russland. Dies waren höchstens die Auslöser. Wer verstehen will, warum die Kriegsparteien aufeinander einschlagen, muss bis in die Zeit der Sowjetunion zurückgehen und ebenfalls die Jahre unmittelbar nach ihren Zerfall betrachten – siehe „Stalins Erben und die Arroganz der Sieger“. Die Situation in der Ukraine ist, nach allem, was man in den Medien erfährt, eine Katastrophe, in allererster Linie für die Bevölkerung. Die Separatisten kämpfen, die ukrainische Armee kämpft, und zwischendrin versuchen Menschen zu überleben, die dort einfach nicht mehr weg können. Und das Überleben scheint von Tag zu Tag schwerer zu werden. Mit dem Abschuss der malaysischen Boeing – wer auch immer diesen Abschuss zu verantworten hat- sollte auch dem letzten Ignoranten klar geworden sein, dass dies kein Konflikt von regionaler Bedeutung mehr ist. Die direkten Kriegsparteien können sich wohl nicht mehr einigen. Zuviel Unvorstellbares ist auf beiden Seiten passiert. Dieser Konflikt kann nur noch von außen beendet werden. Durch eine Einigung des Westen, in diesem Falle der EU und der USA auf der einen Seite und Russlands auf der anderen. Und hier wird aus meiner Sicht ein unverantwortliches Spiel gespielt- von beiden Seiten. Seit Monaten hört man nichts Anderes als Schuldzuweisungen und Drohungen. Der Westen verhängt Sanktionen und die russische Regierung kontert mit der Erhöhung der Energiepreise. Wenn nicht soviele Menschen darunter leiden würden und soviel europäische Zukunft auf dem Spiel stehen würde, könnte man fast darüber lachen. Es erinnert mich an eine Geschichte aus meinem Lesebuch der ersten Klasse – „Die zwei kleinen Ziegenböcke“. Am Ende lagen beide im Wasser.

Ja, Russland hat riesige Demokratiedefizite. Siebzig Jahre Sowjetmacht stalinistischer Prägung waren ein Fluch und ein Albtraum für dieses Land. Es wird noch lange brauchen, um diese Zeit wirtschaftlich und gesellschaftlich zu überwinden. Zu groß ist noch die Überzeugung, dass das Ende der Sowjetunion und der damit verbundene Verlust des Supermachtstatus‘ ein historisches Unrecht ist. Ich habe sie in Sankt Petersburg, in Archangelsk, in Murmansk gesehen, die Parolen „Danke, Großvater für den Sieg!“ An Autos von jungen Menschen, deren Großväter im Krieg wahrscheinlich selbst noch Kinder waren. Hier entsteht, oder existiert wahrscheinlich schon, eine gefährliche Bunkermentalität. Wir gegen die. Und der Westen tut viel dafür. Ich denke, das System Putin ist für Russland auf Dauer nicht gut. Aber das Verhalten des Westens, seine Politik, seine Medien arbeiten ihm zu. Russland wird mit Schuldzuweisungen überhäuft, Beweise werden angekündigt und bleiben dann aus. „Es wird mittlerweise als erwiesen angesehen!“ Ist es erwiesen oder nicht? Der Abschuss eines Passagierflugzeuges ist eine Katastrophe, die man sich als Nichtbetroffener wohl kaum vorstellen kann. Und wenn es aus Kalkül geschieht, ein ungeheuerliches Verbrechen. Bevor man allerdings jemanden eines derartigen Verbrechens bezichtigt, sollte man Argumente, sprich Beweise, haben. Das Verbrechen ohne Beweise zu instrumentalisieren ist moralisch fragwürdig. Niemand reagiert gelassen, wenn er mit einem derartigen Vorwurf konfrontiert wird. Die ZEIT geht hier, wie so oft, wieder einmal mit „gutem“ Beispiel voran. „Der Krieg wird nicht am Absturzort entschieden“– so der Titel eines Kommentares von CARSTEN LUTHER vom 31.07.2014.

ZITAT: Doch parallel zu den territorialen Verlusten wird die militärische Ausstattung der Rebellen besser. Nur so konnte es zum Abschuss des Malaysia-Airlines-Passagierflugzeugs kommen. ZITATENDE.

Es steht also bereits fest, zumindest für Herrn Luther, wer hier der Verbrecher ist. Demgegenüber meldet die FAZ am 02.08.2014 dass Ermittler aus den Niederlanden und Australien am Absturzort nach Ursachen suchen. Vielleicht sollte Herr Luther sein Wissen den Ermittlern zur Verfügung stellen.

Zugegeben, die ukrainische Armee geht auch nicht gerade zimperlich vor, wie der ZEIT-Artikel festhält:

ZITAT: Human Rights Watch macht auch der ukrainischen Armee Vorwürfe: Sie habe wenig präzise Grad-Raketen (die aber ebenfalls von den Separatisten eingesetzt werden) in dicht bewohnten Gebieten eingesetzt. Die Organisation spricht von Kriegsverbrechen. ZITATENDE.

Aber das geht für Herrn Luther völlig in Ordnung:

ZITAT: Die zusammengewürfelten und teils schlecht ausgebildeten ukrainischen Truppen kämpfen mit allem, was ihnen zur Verfügung steht. ZITATENDE.

Denn sie haben ja keine Wahl:

ZITAT: Mit jedem Raketenwerfer, jeder Kiste Munition, jedem Kämpfer, der von russischer Seite über die Grenze ins Land gelangt, hat die Ukraine immer weniger die Wahl: Sie muss ihre Militäroffensive gegen die Separatisten im Osten fortsetzen. Denn Russland ist offenbar nicht bereit, irgendetwas zu unternehmen, um den Nachschub für die Milizen zu unterbinden oder sich auch nur von ihnen deutlich zu distanzieren. ZITATENDE

Auch hier werden die alten Vorwürfe ohne jeden Beleg wiederholt. Um es einmal noch einmal klarzustellen: wenn Russland die Separatisten unterstützt, ist die internationale Gemeinschaft gefordert dies zu unterbinden. Genauso wie sie dann gefordert ist, das Vorgehen der ukrainischen Armee und der Nationalgarde zu stoppen. Die Vorwürfe müssen allerdings belegt werden, sonst wird genau das Gegenteil erreicht. Jede Seite fühlt sich im Recht und ermutigt, weiter zu machen. Und inzwischen sterben Menschen für perverse Machtspiele aller beteiligten Parteien. Mit Artikeln wie dem oben zitierten leisten die Medien der Eskalation Vorschub. Wir haben Meinungsfreiheit. Solange keine Gesetze verletzt werden, darf jeder schreiben, was er will. Meinungsfreiheit bedeutet aber auch, dass niemand per se die Deutungshoheit über Ereignisse beanspruchen kann. Behauptung statt Argumentation als Stilmittel? Behauptungen sollte man im eigenen, journalistischen, Interesse belegen können. Es ist mittlerweile als erwiesen anzusehen, dass Teile der deutschen Medienlandschaft ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben. Und das ist für eine demokratische Gesellschaft, die wir trotz aller Schwierigkeiten sind, niemals gut.

 

Ist Steinmeier enttäuscht und wütend?

Ist Steinmeier enttäuscht und wütend? Düpiert Putin Steinmeiers Ostpolitik? Ja, glaubt man dem Artikel von Jörg Lau auf der Titelseite der ZEIT. Ein seltsamer Artikel, der in einigem Widerspruch zum Interview mit ebendiesem Frank-Walter Steinmeier steht, nur eine Seite weiter. Jörg Lau wiederholt gebetsmühlenartig die immer gleichen Stereotype:  Russland provoziert, pro-russische Kräfte bringen das Land an den Rand des Bürgerkriegs, Putin destabilisiert die Ukraine…  Die übliche, undifferenzierte Schwarzweiß-Malerei, die Art Erklärungen zu liefern, ohne sie belegen zu können – nicht ungewöhnlich für die ZEIT in den letzten Wochen. Man könnte es gähnend zur Seite legen.

Aber das Interview selbst ist dann doch ganz anders, wesentlich ausgewogener.  Das macht den Artikel von Jörg Lau ziemlich lächerlich. Man erlebt einen nachdenklichen, reflektierenden Politiker, der auch darüber spricht, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist zwischen Russland und dem Westen. Die osteuropäische Erweiterung der NATO, die dieser Tage oft als Begründung für die Haltung der russischen Regierung herangezogen wird, betrachtet er differenziert.  Ja, aus seiner Sicht war die Osterweiterung richtig, zu schlecht waren oft die Erfahrungen der  osteuropäischen Staaten mit der Sowjetunion. Ob daraus zwingend die Aufnahme der ehemaligen Staaten des Warschauer Vertrages in NATO folgen musste, darüber kann man geteilter Meinung sein. Wichtig erscheint mir folgende Aussage im Interview:

ZITAT: Leider ist es im NATO-Russland-Rat nicht gelungen, die unterschiedlichen Interessen und Erwartungen offen und aufrichtig auszudiskutieren. Sooft ich dabei war, blieb das im protokollarischen Ritual hängen. Das war ein Fehler. ZITATENDE

Ein ganz entscheidender Satz, den ich mir so schon früher gewünscht hätte. Die heutige Situation in der Ukraine ist die Summe der gemachten politischen Fehler der letzten zwanzig Jahre – auf beiden Seiten. Den Anderen akzeptieren, trotz unterschiedlicher Auffassungen, das ist beiden nicht gelungen. Dem Westen nicht und auch nicht Russland. Irgendwie hatte man das Gefühl, der Kalte Krieg war nie so richtig vorbei  – das Misstrauen der Amerikaner den Russen gegenüber und umgekehrt. Da hat sich keine Seite mit Ruhm bekleckert. Hier ist Europa gefordert. Eben nicht der dumpfen Russenphobie zu folgen, die scheinbar die amerikanische Politik bestimmt, sondern auf Russland zu zugehen, ohne sich anzubiedern. Das ist eine verdammt schwere Aufgabe. Hier kommt ein weiteres Statement Steinmeiers ins Spiel. Auf die Frage, ob er eine Intervention Russlands in der Ostukraine befürchtet (eine Frage, die uns wohl alle umtreibt), antwortet er:

ZITAT: Das wäre ein schwerer Fehler. Ich glaube übrigens auch nicht, dass es einen Masterplan und ein festes Drehbuch gibt, dem das russische Vorgehen folgt. Es spricht vieles dafür, dass Russland das eigene Verhalten situativ fortentwickelt. Dabei ist Moskau auch getrieben von nationalen Stimmungen, die von der russischen Führung selbst gefördert wurden. ZITATENDE

Das ist erstaunlich. Es widerspricht dem, was von den meisten (deutschen) Medien, und leider auch Politikern seit Wochen suggeriert wird – der russische Bär wartet angeblich nur darauf, seine alte Sowjethöhle wieder zu beziehen. Über dieses Statement Steinmeiers sollten auch polnische, baltische und tschechische Politiker zumindest nachdenken.  Wer situativ handelt, mit dem kann man (meistens) verhandeln.

Ja, Russland hat seine eigenen Interessen und Europa wäre schlecht beraten, immer und überall nachzugeben. Die gewaltsame Verschiebung von Grenzen muss im 21. Jahrhundert einfach ein Tabu sein, da hat Steinmeier uneingeschränkt recht. Die Situation in der Ukraine ist verfahren aber sie ist auch eine Chance. Dazu Steinmeier:

ZITAT: Aber uns in Europa hat es (die Krimkrise-d.A) geholfen, die Bedeutung von Außen- und Sicherheitspolitik wieder zu entdecken. Die gegenwärtige Krise zeigt, dass eine in Jahrzehnten aufgebaute und scheinbar tragfähige Sicherheitsstruktur der ständigen Absicherung und Erneuerung bedarf.. .Aber auch die NATO muss sich selbst prüfen und klären, ob sie die richtigen Schwerpunkte setzt. ZITATENDE

Es ist an der Zeit, sowohl für den Westen als auch für Russland (und in Zukunft vielleicht auch für China) zu erkennen, wie man Interessenskonflikte miteinander löst-ohne Säbelrasseln und ohne hohle Kriegsrhetorik und ohne Unterwürfigkeit und Anbiederei. Weder Russenphobie noch platter Antiamerikanismus helfen da weiter.

Insgesamt ein sehr lesenswertes  Interview. Ernüchternd, aber Enttäuschung oder gar Wut, wie uns Herr Lau suggerieren wollte? Fehlanzeige! Eher stellt sich die Frage, ob es hier nicht um Enttäuschung darüber geht, dass Frank-Walter Steinmeier nicht in die absonderliche Kriegsrhetorik verfällt, die man mittlerweile seitens der Medien (auch seitens der ZEIT) gewöhnt ist.  Nochmal ein Zitat des Interviews:

ZITAT: Ich weiss nicht, warum manche geradezu begierig auf den Beweis des Scheiterns kooperativer Politikmodelle warten. Konfrontation und Selbstisolation sind kein Weg und schon gar kein Ausweg. ZITATENDE

 

Wer spaltet Europa wirklich?

Etwas scheint bei den Medien angekommen zu sein, zumindest bei der ZEIT. Bernd Ulrich schreibt darüber, dass Putin Europa spaltet.

Allerdings steht in diesem Artikel sehr deutlich eine andere Frage im Raum:  ZITAT:…dann stehen zurzeit zwei Drittel der Bürger, Wähler, Leser gegen vier Fünftel der politischen Klasse, also gegen die Regierung, gegen die überwältigende Mehrheit des Parlaments und gegen die meisten Zeitungen und Sender (ZITATENDE).

Böswillig interpretiert: Wie kommt das Volk zu einer anderen Meinung als die Eliten (wie auch immer man sie definiert)?

Der Autor ist irritiert über die Argumente, schließlich ginge es hier um ZITATden Konflikt zwischen einem aggressiven Autokraten und den westlichen Demokraten. ZTATENDE.

In dieser Fragestellung liegt bereits der Beginn einer Antwort. Es geht eben nicht darum. Ja, Wladimir Putin ist ein aggressiver Autokrat. Aber den Widerspruch, der im Artikel beklagt wird, darauf zu reduzieren ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Seit Beginn (oder Verschärfung) der ukrainischen Krise gibt es wenig ausgewogene Berichterstattung. Ja, diese Ausgewogenheit darf von den Lesern erwartet werden, auch wenn dies im Artikel in Frage gestellt wird, mit der Begründung, dass es um die  Legitimität des Völkerrechts geht. Und das rechtfertigt eine indoktrinäre Berichterstattung? Nach dem Motto, dass dies das Volk sowieso nicht begreift?  Man mag es nicht glauben.

In den Medien (auch in den sogenannten Leitmedien) wird immer wieder unterstellt, dass jeder, der auch nur ansatzweise die Handlungen der EU und der USA in Frage stellt, einer Annexion der Krim das Wort redet. Der demagogische, diffamierende Begriff des Putinverstehers ist allgegenwärtig. Den oben erwähnten Bürgern, Wählern und Lesern scheint nicht zugetraut zu werden, selbst zu urteilen. Darüber bin ICH bestürzt. Und es fehlt mir jedes Verständnis für diese Denkweise. Auch wenn die Medien sich selbst als Getriebene darstellen. Die Medien sollen ihren Lesern nicht nach dem Mund reden, beziehungsweise schreiben. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber man darf nicht larmoyant werden, wenn nicht alle der Meinung ausgewählter Autoren folgen.

Es für viele Menschen unbegreiflich, und für einige auch unerträglich, wie dogmatisch derart komplexe Vorgänge wie in der Ukraine pauschal in schwarz und weiß, beziehungsweise gut und böse unterteilt werden. Um es noch einmal klarzustellen, Russlands Griff nach der Ukraine, einschließlich der Krim, ist zu verurteilen. Dafür gibt es kein Verständnis, wohl aber Erklärungen. Und die sind sehr nötig, um die Krise zu meistern. Und dazu gehört die unbequeme Frage, welchen Beitrag der Westen geleistet hat, dass die Situation sich jetzt so darstellt. Nur wenn man diese Fragen ehrlich beantwortet, finden sich Lösungen. Es hilft nicht, sich auf einen moralischen Sockel zu stellen, dessen Fundament man in der Vergangenheit durch seine eigenen Handlungen schwer beschädigt hat. Wenn man die Argumentation vieler Politiker und Medien konsequent zu Ende denkt, muss man einen Krieg gegen Russland zumindest mal in Betracht ziehen. Die Äußerungen des tschechischen Präsidenten sind da nicht ganz eindeutig. Ist das gewollt?  Kein Mensch will den Krieg aber in Politik und Medien entsteht der Eindruck, dass man diesen zumindest in Kauf nehmen würde. Wenn kritischen Stimmen dann noch unisono diffamiert werden, braucht man sich nicht zu wundern.

Ich glaube, dass die ukrainische Krise für viele, die hier als Putinversteher gebrandmarkt werden, einfach  ein Anlass ist, ihre Unzufriedenheit auszudrücken.  Es ist tatsächlich so: Zitat: Die Mehrheit empfindet nicht nur gegenüber Washington diese unheilvolle Mischung von fremder Anmaßung und eigener Ohnmacht, sondern auch gegen Brüssel. Im Fall der Krimkrise kommt beides zusammen. Zitatende.

Die Menschen empfinden eine zunehmende Differenz zwischen sich und ihren, zugegeben gewählten, Vertretern. Das Resultat ist eine unterschwellige, bisweilen offene, zunehmend aggressive  Unzufriedenheit. Politiker und Parteien werden ohnmächtig verachtet, zum Teil als Vasallen der USA begriffen, die Medien als ihre Erfüllungsgehilfen gesehen. Die Foren der Online-Ausgaben großer Tages- und Wochenzeitungen sprechen da Bände.  Und das ist richtig gefährlich.

ZITAT: Die EU spannt gern mal ein Drahtseil über ihre Legitimationslücken und tanzt darauf Tango. ZITATENDE.

Besser kann man es nicht ausdrücken. Wer spaltet Europa wirklich? Europa als Institution entfernt sich immer mehr von seinen Bürgern –und das ist die Ursache der Spaltung. Putin nimmt sich, was sich anbietet.

Ich finde den Artikel gut, erstellt aus meiner Sicht viele richtige Fragen. Meine persönlichen Antworten sehen anders aus aber das ist eben Meinungsfreiheit.

 

 

 

Ja, ich bin ein Putinversteher

Putinversteher scheint  zum geflügelten Wort zu werden. Höchstselbst ins Spiel gebracht vom Herausgeber der ZEIT, Josef Joffe. Wohl abwertend allen gegenüber, die es nach seiner Meinung  immer noch nicht verstanden haben. DER RUSSE IST DER FEIND, VERDAMMT NOCHMAL! War er ja schließlich schon immer, DER RUSSE, nicht wahr…

In den vergangenen Wochen konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, das (un)selige NEUE DEUTSCHLAND sei in Form von ZEIT und SPIEGEL wieder auferstanden.

Schade, ich habe Josef Joffe als Journalist immer geschätzt obwohl seine Standpunkte oft nicht meine eigenen waren. Aber schreiben kann der Mann. Der verlinkte Artikel ist gut gemacht – er liest sich. Andererseits zeugt es eben nicht gerade von Größe, wenn man Andersdenkende pseudointellektuell (in diesem Falle pauschal als Putinversteher) abqualifiziert. Seine Analyse der betreffenden Gruppen ist aus meiner Sicht durchaus zutreffend. Ja, es gibt sie alle, so wie sie beschrieben wurden. Aber er vermittelt sehr geschickt den Eindruck, jedes Hinterfragen der Rolle des Westens in der ukrainischen Krise wäre irgendwo zwischen Böswilligkeit und politischer Blindheit angesiedelt. Und hier überschreitet er die Grenze zu Demagogie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es unbewusst passiert. Vielleicht ist es auch eine trotzige Reaktion, weil er sich nicht eingestehen kann, dass der Westen (so man ihn als homogene Einheit begreift) in Bezug auf Russland versagt hat. Putins Vorgehen ist in keiner Weise akzeptabel. Aber letztendlich ist die „kalte“ Annexion der Krim der vorläufig letzte Akt einer Entwicklung, die mit dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion begann. Der alte Machtapparat des Kreml existierte weiter- auch wenn neue Namen auftauchten. Der Verlust der alten Sowjetunion wurde nie akzeptiert. Spätestens seit der zweiten Amtszeit Putins standen die Zeichen auf Restauration. Und damals hätte der Westen reagieren müssen. Durch eine konsequente Einbindung Russlands und das setzt wiederum voraus, dass man Russland als Verhandlungspartner respektiert, auch bei unterschiedlichen Standpunkten. Wenn man aber immer wieder klarmacht, dass man diesen Respekt eben nicht hat, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Gegenseite irgendwann abweisend reagiert. Was also nun? Im Augenblick stellt sich die Situation so dar, dass der Westen teilweise hysterisch mit Gewalt droht. Wie kann man sonst die Äußerung  eines NATO-Generalsekretärs deuten? Will man hier wirklich Krieg? Denn das wäre die logische Konsequenz dieser Argumentationskette. Ich kann es nicht glauben. Und hierhin passt ein weiterer Artikel Josef Joffes.

Was will der Mann? Bedauert er wirklich, dass Rüstungsausgaben europaweit real zurück gefahren wurden? Oder sollte es hier wirklich nur um die Interessen der Rüstungsindustrie gehen? Ich glaube, das ist zu platt. Die Situation ist verfahren. Der Westen hat in unsäglicher Arroganz Russland unterschätzt.  Der Anschluss der Krim an Russland ist, gelinde gesagt, ein unfreundlicher Akt. Aber, wenn man sich ernsthaft mit der russischen (und sowjetischen) Geschichte beschäftigt, hätte man das voraussehen können. Und viel früher mit Erfolg das tun, was Josef Joffe im letztgenannten Artikel ganz richtig schreibt: Zitat:  Europa verlässt sich auf seine „weiche Macht“, die Putin zugleich straft und lockt…. Das Ganze wird gepaart mit der Einladung: „Komm zurück in die Gemeinschaft der friedenswilligen Nationen.“ (Zitat Ende)

Säbelrasselnde Rhetorik hilft uns nicht weiter. Aber so langsam scheint sich der Wind in den deutschen Leitmedien (wie definiert man das eigentlich?) zu drehen. Wohltuend hier der Beitrag von Ingo Schulze in der SÜDDEUTSCHEN. Wenn es darum geht, darüber nachzudenken, wie es zu dieser Krise gekommen ist, ohne in Beissreflexe des Kalten Krieges einerseits und in platte antiamerikanische  Ressentiments andererseits zu verfallen, bin ich doch gern ein Putinversteher.

Russland muss an den Verhandlungstisch. Aber man muss auch einen Stuhl hinstellen.

Das Geschichtsverständnis von Frau C. und die Glaubwürdigkeit des Westens

Der Vergleich Putins mit Hitler -Hillary Clinton hat die ganz große Keule rausgeholt. Oder ist das bereits einsetzende Senilität? Das der Beifall ausgerechnet von McCain kommt, sollte ihr dabei schwer zu denken geben.

Die Welt steht vor einem schwer lösbaren Problem. Das klingt pathetisch, ist aber wohl so. Der Konflikt auf der Krim kann nur mit Russland gelöst werden. Wer dies ignoriert, ist schlicht nicht von dieser Welt. Und Frau Clinton hat keine bessere Idee, als Wahlkampf zu machen. Anders kann man ihren historisch (freundlich ausgedrückt) zweifelhaften Vergleich Putins mit Hitler nicht werten. Oder sie hat wirklich etwas nicht verstanden? Wohl kaum, denn sie ist diesbezüglich in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen. Also doch Wahlkampf, zu einem Zeitpunkt, der ungeeigneter kaum sein könnte. Wenn man denn einer konstruktiven Lösung des Konflikts interessiert ist.

Das Problem ist, dass der Westen (hier meine ich die USA und die EU) eben nicht gewillt ist, den Konflikt mit Russland zu lösen. Statt dessen alte Muster: drohen, eskalieren, Sanktionen verhängen, die sinn- und wirkungslos sind, die Fronten aber noch mehr verhärten. Wie kann man so verblendet sein, zu glauben, gewinnen zu können? Man soll keine Drohung aussprechen, die man nicht wahr machen kann. Was wollen die USA (Europa wird am Ende wohl nicht gefragt werden)? Einen Militärschlag gegen Russland? Man kann nur hoffen, dass die kranken Hirne, die es zweifellos gibt, nicht entscheidend sind. In der gegenwärtigen Situation hat Putin überhaupt keine Veranlassung einzulenken. Er sieht sich im Recht, genauso wie sich die USA in Vietnam, in Grenada, im Irak, in Afghanistan im Recht gesehen haben. Warum sollte er auf eine Politik verzichten, die für Amerika uf der anderen Seite selbstverständlich ist? Interessengebiete abstecken und unter Kontrolle bringen mit der Begründung tatsächlicher, eingebildeter oder erfundener Bedrohungen – Szenarien des überwunden geglaubten Kalten Krieges. Das  russische Vorgehen in der Ukraine ist verwerflich- moralisch, juristisch, völkerrechtlich. Aber der Westen (und hier besonders die USA) hat auf Grund seiner  Vergangenheit ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn man sich hier auf einen moralischen Sockel stellt, auch wenn es im Falle der Ukraine tausendmal gerechtfertigt wäre.

Umso mehr kann es nur den einen Weg geben- den Kalten Krieg endlich zu beenden und die andere Seite als Partner zu respektieren und nicht als Feind. Nur dann kann man auch Forderungen stellen. Alles andere wäre mittelfristig für die Menschen in der Ukraine und in Russland (ja, auch da leben welche), ein Verhängnis. Zumal es die USA historisch gesehen schon einmal vorgemacht haben- mit der Einbindung Westdeutschland nach dem Krieg.

Stalins Erben und die Arroganz der Sieger

Gibt es Krieg in Europa? Die Zeitung mit den vier Buchstaben stellte diese Frage unlängst auch unübersehbar. Gut, das ist Polemik  und die Situation heute mit der 1914 zu vergleichen, ist auch nicht gerade korrekt. Was passiert in der Ukraine? Was macht Putin? Jeden, der einigermaßen bei Verstand ist, dürften diese Fragen interessieren. Die Medien sind voll von Beschimpfungen und Schuldzuweisungen in Richtung des „Zaren“. Zu Recht? Ich denke ja und dennoch bringt uns die reine, helle Empörung, dass seine Auffassungen von Recht und Gesetz nicht akzeptabel sind, nicht unbedingt weiter.

Die derzeitige Situation kommt nicht wirklich überraschend. Überraschend ist nur, wie unklug der Westen (wenn man von diesem als einem homogenen Gebilde sprechen kann) reagiert. Was wir heute sehen, sind auch (immer noch) die Folgen Stalinscher Nationalitätenpolitik. Teile und herrsche – im ursprünglichen Sinn. Völker wurden hin und her verschoben, Grenzen willkürlich gesetzt, so dass am Ende nur noch Misstrauen und Feindschaft übrig blieben. Aber die Sowjetunion war ein Land, das heißt ihre Bewohner siedelten überall, auch wenn sie nicht immer miteinander klarkamen. Dieses Land existierte immerhin siebzig Jahre, also zwei bis drei Generationen lang.

Und genau das wurde völlig außer Acht gelassen, als die Sowjetunion zerfiel und sich Nationalstaaten formierten. Millionen Russen lebten nun plötzlich außerhalb des „neuen“ Mutterlandes-  und trotzdem weiterhin in ihrer bisherigen Heimat. Sie wurden und werden oft schwer diskriminiert. Es war abzusehen, dass dies irgendwann Probleme bereitet. Die russischen Machthaber haben den Zerfall des einstigen Sowjetreiches nie akzeptiert. Der Westen hat in den 90er Jahren den hoffnungslosen Trinker Jelzin unterstützt, nicht sehend oder nicht sehen wollend, dass der alte Machtapparat erhalten blieb, zumindest die handelnden Personen und ihre Beziehungen untereinander. Viele derer, die heute das Sagen haben, begannen ihre Karriere in der alten KPdSU. Hat denn wirklich jemand geglaubt, dass diese sich mit dem Schrumpfen ihres einstigen Herrschaftsbereiches einfach so abfinden? Zumal die Dinge im Falle der Ukraine und ganz besonders im Falle der Krim nicht so eindeutig sind wie beispielsweise in den baltischen Staaten, die 1940 annektiert wurden. Die Ukraine ist heute bereits ein gespaltenes Land. Der Westen, Teil der alten k.u.k. Monarchie mit Städten wie Lemberg, waren immer etwas anderes als das Land östlich des Dnepr. Das war die Sowjetukraine. Und die Krim und die Schwarzmeerküste? Am Schwarzen Meer stand unter Peter I. die Wiege der russischen Schwarzmeerflotte, auf der Krim wurde das bekannte Abkommen von Jalta unterzeichnet, Odessa ist Schauplatz von Sergej Eisensteins berühmten Film „Panzerkreuzer Potemkin“. Die gesamte Gegend ist untrennbar mit der russischen Geschichte verbunden. Das kann man nicht einfach ignorieren. Und hier beginnt das Versagen des Westens. Spätestens als Wladimir Putin durch Gesetzesänderungen begann, seine Macht auf Lebenszeit zu zementieren, hätte man erkennen müssen, dass die Zeichen auf Restauration stehen. Und man hätte reagieren müssen. Zweifellos ist Putin kein Demokrat (by the way- bei unseren amerikanischen Verbündeten habe ich da auch meine Zweifel). Aber wir müssen akzeptieren, dass er eines der größten Länder der Erde regiert, welches immer noch über eine gewaltige Militärmacht und riesige Rohstoffvorkommen verfügt. Daran kommt man nicht vorbei, ob es uns gefällt oder nicht. Der Westen, sowohl seine politischen Führer als auch die Medien, hat dagegen Putin immer als Paria behandelt, als einen, den man nicht dabei haben will. Sehr gut zu beobachten an der Berichterstattung deutscher Medien über die Olympiade in Sotschi- teilweise unverhohlene Häme über die angebliche Unfähigkeit der Russen, irgendetwas auf die Beine zu stellen. Fast hatte man den Eindruck der Enttäuschung über den glatten Verlauf der Veranstaltung. Arroganz und Abfälligkeit diesem Land und seinen Bewohnern gegenüber sind allgegenwärtig.

Putin wird das Schicksal der Russen auf der Krim persönlich egal sein. Aber das äußerst ungeschickte antirussische Gebaren der neuen ukrainischen Regierung, wohlwollend geduldet vom Westen, war eine gigantische Steilvorlage für Moskau. Die Krim war für die Russen nie Ausland. Und der Westen, speziell die EU? Kaum zu glauben, dass man die Situation in der Ukraine über Monate beobachtete und anscheinend wirklich dachte, das Problem ohne Russland lösen zu können. Wie blind darf man eigentlich sein? Es war abzusehen, dass sich die Situation irgendwann entlädt. Putin ist in dieser Hinsicht berechenbar. Es war klar, dass er versuchen wird, seine Interessen zu wahren und das die Krim ein Brennpunkt sein wird. Steinmeier hätte nach Moskau statt nach Kiew reisen sollen, das hätte den Menschen in der Ukraine mittelfristig mehr geholfen. Nun haben die Russen die Krim faktisch besetzt und ist schwer vorstellbar, dass sie ihr Militär kurzfristig wieder abziehen. Und der Westen ist hoffentlich klug genug, von einer militärischen Option die Finger zu lassen. Putin muss an den Verhandlungstisch und dazu muss man ihn als Verhandlungspartner zumindest respektieren, auf wenn es schwer fällt. Was tut der Westen? Er ruft nach Sanktionen. Das klingt  hilflos. Wie sollen die aussehen? Kaufen wir kein russisches Gas mehr? Schließen wir die Absatzmärkte für europäische Waren, Exportmärkte von denen gerade die deutsche Wirtschaft abhängt?

Russland militärisches Vorgehen ist nicht akzeptabel. Aber der Westen hat sich seine Möglichkeiten der Einflussnahme schon längst verbaut. Durch die Arroganz des vermeintlichen Siegers. Ein später Triumph Stalins und Stalins Erben?