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URAL connects people

08.08.2014

Morgen geht es endgültig nach Hause. Eigentlich wollte ich drei Tage vor der endgültigen Heimfahrt (also am Mittwoch) nur ein paar Kleinigkeiten an der URAL erledigen. Schrauben nachziehen, Öl auffüllen, alles solche Dinge. Und ich erlebe ein Desaster. Der Anlasser gibt nur ein klägliches Klicken von sich. Batterie runter? Wäre nicht schön aber eigentlich noch keine Katastrophe. Zum Glück habe ich ja einen Kickstarter. Los geht’s und es passiert-nichts. Der Motor lässt sich nicht mal durchdrehen. Mir wird erstmal ganz anders. Also Kerzen rausschrauben und noch einmal versuchen. Aus dem linken Kerzenloch kommt eine fingerdicke Wasserfontäne. Aus der rechten Öffnung quillt es nicht so stark, aber immerhin auch. Ja, Wasser. Ich bin fassungslos. Am Vortag und in der Nacht hatte es durchgängig geregnet und das Motorrad stand leicht schräg. Die Öffnung für den Luftfilter zeigt bei der URAL nach oben. Und das ist eine, gelinde gesagt, dämliche Lösung. Das Wasser ist bis zum Zylinderkopf durchgelaufen. Und nun? Und nun habe ich erstmal schlechte Laune. Hilft aber auch nicht weiter. Also ran an die Arbeit. In der Wald- und Wiesenwerkstatt Zylinder ziehen habe ich vorher auch noch nicht gemacht.

Russische Feldschmieder

Russische Feldschmiede

Aber was bleibt mir übrig. Ich versuche, die Wasser-Öl-Emulsion so gut wie es geht zu entfernen. Es ist eine einzige Schweinerei.

Begeisterung pur

Begeisterung pur

Danach Vergaser reinigen, Luftfilter reinigen. Ich bin total begeistert. Am Abend habe ich alles wieder zusammen. Fremdstartkabel ans Auto und los. Nur anspringen will das Gerät nicht. Ein paar müde Huster, dann wieder Stille. Ich beschließe, auch im Interesse der Nachbarn, alles Weitere auf Donnerstag zu vertagen.

Der Donnerstag beginnt mit einer nochmaligen Ventileinstellung, einer weiteren Vergaserreinigung und einer zusätzlichen Reinigung und Trocknung des Luftfilters. Gegen Mittag läuft sie endlich, wenn auch noch nicht rund. Zumindest kriegt sie soweit Temperatur, dass ich das Öl komplett ablassen kann. Die Brühe, die dann rauskommt, sieht aus wie Milchkaffee. Gekostet habe ich nicht. Dann erstmal mit dem Auto zur Tankstelle, noch eine Ladung Öl holen. Es wird nicht der letzte Ölwechsel sein. Inzwischen ist es wieder Abend. Noch einen Ausflug zur Eisengießerei in der Nähe. Nein, keine URAL-Teile besorgen. Ebbemala Bruk ist eine alte Gießerei aus dem neunzehnten Jahrhundert. Dort gibt es heute „historisches“ Schaugießen. Sehr anschaulich, man kommt wenigstens mal auf andere Gedanken. Es ist schon ärgerlich, die Urlaubstage mit Fehlersuche zuzubringen. Am Abend noch eine, diesmal angenehme, Überraschung. In der Nachbarschaft wohnt ein schwedischer Dneprfahrer. Er ist auf meine URAL aufmerksam geworden. Und bietet an, auf seinem Grundstück, einer alten Schule, weiterzuschrauben. Allemal besser als auf der Wiese…

Der Freitag beginnt wie der Donnerstag. Doch es gibt einen Fortschritt. Das Problem lässt sich auf einen Zylinder eingrenzen. Dummerweise ist es der auf der Beiwagenseite, wo man „gut“ rankommt. Die URAL läuft nur bei gezogenem Choke rund. Also weiter mit den Vergaserstudien. Aber erstmal noch ein Ölwechsel, um den letzten Öl-Wasser-Schlamm loszuwerden. Tommy, so heißt der schwedische Nachbar, hat einen Kumpel aus Litauen, der sich gut mit den russischen Geräten auskennt, wie sich herausstellt. Alles Öl nochmal raus und einen halben Liter Diesel eingefüllt. Damit wird der Motor „kalt“ durchgedreht und die Restbrühe wieder abgelassen. Nochmal neues Öl drauf, jetzt sollte es gehen. Der Vergaser gibt mehr Rätsel auf. Am Ende bauen wir ihn komplett auseinander, reinigen ihn mit Druckluft und wechseln zur Sicherheit noch die Membran. Und dann…geht’s! Na bitte! Es gibt noch Kaffee und belegte Brote von Karin, Tommys Frau. Die beiden leben in dieser alten Schule, um, wie sie sagen, ein etwas langsameres Leben zu führen. Er tischlert Möbel und sie malt Bilder. Alles in beschaulicher Umgebung zwischen Wäldern und Seen. Ja, so kann’s laufen. Morgen geht’s auf der URAL zurück nach Dresden. Von Murmansk. Auf drei Rädern und nicht auf dem Anhänger. Die letzten von fast neuntausend Kilometern. Nach neun Wochen werde ich wieder daheim sein.

Vorläufiges Finale

Ich bin angekommen. Bei den drei wichtigsten Menschen, die es für mich gibt. Ein Ferienhaus in Bleckinge län, in Südschweden. Hier klingt die Reise auf der URAL von Dresden nach Murmansk und zurück erst einmal aus, bevor es zurück nach Dresden geht. Die letzten Tage seit Uppsala waren Motorradfahren pur. Ich habe noch eine Zeltplatzbetreiberin aus der Schweiz getroffen, die sich in Schweden einen Lebenstraum erfüllt, Autoschrauber aus Hamburg, die mit ihren amerikanischen Oldtimern auf Tour sind und jede Menge andere freundliche und hilfsbereite Menschen. Die Zeltplatzbetreiberin war geschäftstüchtig genug, mir um Mitternacht noch Bier zu verkaufen und von den Schraubern habe ich gelernt, dass ein Verbrauch von zwölf Litern auf hundert Kilometer geradezu sparsam ist. Wenn man einen Motor von sechs Litern Hubraum hat… Ein wenig Fachsimpeln über amerikanische und russische Autos, da kommt man schon ins Träumen. Die URAL hat sich auf der Reise anständig gehalten. Wenn man von den Zündungsproblemen absieht, die ich mit „Bordmitteln“ beheben konnte, lief die Maschine störungsfrei. Und dass über achttausend Kilometer, die mitunter nicht so ganz einfach waren. Russische Straßen sind doch etwas Besonderes. Noch ein paar Worte zur Technik. Ich war mit einem 750cm³-URAL-Gespann unterwegs, welches ich im Jahre 2001 in Deutschland gekauft habe, damals fabrikneu. Außer dem Anbau eines Ölkühlers und einer leistungsstärkeren Ölpumpe habe ich technisch nichts verändert. All die Geschichten über das unabdingbare Austauschen aller russischen Lager und ähnlichen Horror habe ich ignoriert. Mittlerweile hat die URAL knapp sechzigtausend Kilometer „auf der Uhr“ und ein Ende ist nicht abzusehen. Reisen haben mich damit nach Skandinavien (2004), nach Sibirien (2008) und jetzt nach Murmansk geführt. Sicher gab es Pannen und sicher mussten auch einmal Teile (vorzeitig) getauscht werden. Aber Motor, Getriebe und Kupplung sind original. Der Ölverbrauch liegt im Rahmen. Wenn ich darüber nachdenke, was mir über die Jahre an technischem Ungemach vorhergesagt wurde, finde ich die bisherige Laufleistung recht akzeptabel. In Russland selbst war die Maschine immer wieder ein „Hingucker“. Ich wurde oft darauf angesprochen und oft sehr anerkennend. Es ist klar, dass es weitaus bessere Technik gibt aber hier zählte wohl der Symbolwert. Die bisher zurückgelegt Strecke gibt es unter diesem Link. Noch einmal Atem holen vor dem letzten Ritt auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk – und zurück. Auch das Sabbatical geht zu Ende. Im September werde ich wieder arbeiten gehen.

Stockholm schlägt Uppsala

23.07.2014

Stockholm ist mir zu anstrengend. Zumindest der Verkehr. Aber gesehen haben muss ich es. Was liegt näher, als sich ein Basislager in der Nähe zu suchen, die URAL stehen zu lassen, und sich fahren zu lassen? Meine Wahl fällt auf Uppsala, keine hundert Kilometer von der schwedischen Hauptstadt entfernt. Uppsala selbst, als alte Universitätsstadt, scheint auch nicht uninteressant zu sein. Ich muss Prioritäten setzen, Stockholm gewinnt. Von Uppsala kenne ich also nur den Weg vom Zeltplatz zum Bahnhof. Stockholm Central spuckt mich aus. Mitten hinein in’s Gewühl. Ein Kulturschock, meine letzte Begegnung mit einem derartigen Hotspot war in Sankt Petersburg. Archangelsk und Murmansk spielen, natürlich, nicht in dieser Liga, so interessant, wie es dort war. Es ist voll. Und es ist heiss. Ich habe nur diesen einen Tag Zeit, also absolviere ich das touristische Grundprogramm. Königspalast, Parlamentsgebäude, Gamla Stan, die historische Altstadt, die Anlegestelle für Ausflugsboote aller Art. Die Altstadt ist nicht uninteressant, enge Gassen, Geschäfte, Kneipen, Menschen.

Gamla Stan

Gamla Stan

Man kann hier gut die Zeit rumbringen. Einzigartig ist es allerdings nicht. Es ist wirklich schön dort aber dieses Flair gibt es auch in Warschau, Tallinn, Prag… Es ist wieder das alte Lied, ein Tag für eine derartige Stadt geht nicht. Russland holt mich allerdings auch hier ein. Ein Mittagessen bei Olga.

Bei Olga - wir sprechen russisch

Bei Olga – wir sprechen russisch

Es wird tatsächlich Russisch gesprochen. Dann finde ich noch ein Highlight – die Fotografiska, das Fotomuseum in Stockholm, direkt am Ufer gelegen, mit wohl dem schönsten Blick auf die Altstadt.

Blick auf die Altstadt

Blick auf die Altstadt

Die Fotografiska ist aus meiner Sicht ein MUSS für einen Stockholmbesuch. Faszinierende Bilder, gerade in schwarz-weiß, was mich besonders begeistert. Und Videoinstallationen, die ich nur als atemberaubend bezeichnen kann. Es ist schwer, diese Eindrücke in Worte zu fassen. Ich schlendere durch die Altstadt zurück zum Bahnhof. Stockholm ist es wert, gesehen zu werden.

Auch eine Marke

Auch eine Marke

Nur braucht es seine Zeit. An nur einem Tag wirkt die Stadt wie ein beliebiges Museum. Und bin mir sicher, dass es hier faszinierend sein kann.

Stockholmer Ansichten

Stockholmer Ansichten

Auf dem Zeltplatz komme ich mit einem Russen ins Gespräch, der mit seiner Familie in Finnland lebt. Ausgangspunkt war wieder einmal mein nicht alltägliches Fortbewegungsmittel. Wir reden, russisch, über dies und jenes. Über meine Reise nach Russland, über die Darstellung Russlands in deutschen Medien. Mitten im Gespräch will er wissen, seit wann ich eigentlich in Deutschland lebe. Interessante Fragestellung…

Langsam setzt sich bei mir der Gedanke fest, dass es schön ist, wieder nach Hause zu kommen…Weiter auf dem Motorrad nach Süden über Norrköping und Västervik.

Die aktuelle Route gibt’s unter diesem Link.

Gibt es in Schweden Hufeisennasen?

21.07.201

Eine Brücke. Und mitten durch das Weltkulturerbe, kaum zu glauben. Ich bin etwas irritiert. Wie kann das gehen? Aber das Bauwerk ist real. Und riesig.

Högakustenbrücke

Högakustenbrücke

Die Hohe Küste, eine eiszeitlich geformte Landschaft ungefähr fünfhundert Kilometer nördlich von Stockholm, zählt tatsächlich zum Weltkulturerbe. Nach dem Verschwinden des Inlandeises der letzten Eiszeit hat sich das Land bisher mehrere hundert Meter gehoben. Und es geht weiter. Der Druck des Eises muss immens gewesen sein, dass dieser Vorgang noch nicht zu Ende ist. Geformt wurde eine einzigartige Landschaft mit Fjorden, umgeben von Felsen. Und über einen dieser Fjorde spannt sich bei Örnsköldsvik eine gewaltige Brücke. Aber irgendwo muss die E4 ja schließlich langgehen. Brücke und Weltkulturerbe müssen sich nicht ausschließen, obwohl das von Ort zu Ort offensichtlich verschieden gesehen wird. Hufeisnnasen scheint es keine zu geben. Ich kann nirgendwo ein Tempo-30- Schild entdecken.  Ich bin mit dem Motorrad in Schweden auf dieser E4 unterwegs in Richtung Stockholm. Hier ist Bilderbuchschweden. Blauer Himmel, grüne Landschaft, rote Häuser, Seen, alles da. Es ist fast unwirklich. Fast wundert es mich, an der Tankstelle nicht vom Fräulein Langstrumpf bedient zu werden.

Hohe Küste

Hohe Küste

Die Kilometer gehen dahin. Die URAL gibt allerdings besorgniserregende Geräusche von sich, deren Herkunft ich noch nicht einordnen kann. Die Wege in Russland haben offensichtlich Spuren hinterlassen. Es sind noch eintausendfünfhundert Kilometer bis nach Dresden. Also beobachten und weiterfahren. Und vorwichtig behandeln. Am Abend finde ich mich in Hölick wieder. Eine Halbinsel in der Ostsee und ein ehemaliges Fischerdorf. Auch hier Postkartenmotive ohne Zahl. Liegt ein wenig abseits der Fahrtroute, ist aber sehr ansehnlich. Und ich fahre nach Süden. Die Tage werden kürzer und die Nacht ist hier tatsächlich fast dunkel. Das nächste Ziel heißt Stockholm.

Die bisherige Tour gibt’s unter diesem Link

Der lange Weg nach Hause

Ich bin auf dem Weg nach Hause. An Russland erinnern nur noch gelegentliche Hinweisschilder nach Murmansk mit immer größer werdenden Zahlen. Von Inari sind es vierhundertvierzig Kilometer nach Tornio, der Stadt an der finnisch-schwedischen Grenze. Vierhundertvierzig Kilometer grüne Eintönigkeit. Zugegeben, die Vegetation wird höher, je weiter man nach Süden vordringt. Die Rentiere, die den Weg kreuzen, oder ihn manchmal auch völlig in Anspruch nehmen, werden weniger. Ansonsten wechseln sich Seen und Wälder in endloser Reihenfolge ab, unterbrochen von einigen ziemlich gleich aussehenden Siedlungen. Rovaniemi zieht vorbei. Den Polarkreis lasse ich hinter mir. Wieder fahren, Kilometer fressen, Sonnenschein und Regen. Eine endlose Straße. Dann Tornio, die Grenzstadt.

Tornio- Die Grenze

Tornio- Die Grenze

Ich steuere den Zeltplatz an. Mein letzter Besuch in Tornio fand im März statt, anlässlich der RAJALTA RAJALLE. Ich finde, im Sommer sieht Tornio deutlich vorteilhafter aus. Man betreibt hier auch definitiv andere Sportarten als im Winter.

Subarktischer Sommersport

Subarktischer Sommersport

Es geht weiter. Entlang der E4 nach Süden. Ich möchte noch nach Stockholm, um der Gleichförmigkeit zu entgehen. Die URAL läuft, die Straßen sind gut. Die Reise auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk findet seine Fortsetzung. Byske ist ein Megazeltplatz. Riesig und laut. Eigentlich nicht mein Geschmack. Aber ich bin zu müde zum Weiterfahren.

Der aktuelle Weg unter diesem Link