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Wer spaltet Europa wirklich?

Etwas scheint bei den Medien angekommen zu sein, zumindest bei der ZEIT. Bernd Ulrich schreibt darüber, dass Putin Europa spaltet.

Allerdings steht in diesem Artikel sehr deutlich eine andere Frage im Raum:  ZITAT:…dann stehen zurzeit zwei Drittel der Bürger, Wähler, Leser gegen vier Fünftel der politischen Klasse, also gegen die Regierung, gegen die überwältigende Mehrheit des Parlaments und gegen die meisten Zeitungen und Sender (ZITATENDE).

Böswillig interpretiert: Wie kommt das Volk zu einer anderen Meinung als die Eliten (wie auch immer man sie definiert)?

Der Autor ist irritiert über die Argumente, schließlich ginge es hier um ZITATden Konflikt zwischen einem aggressiven Autokraten und den westlichen Demokraten. ZTATENDE.

In dieser Fragestellung liegt bereits der Beginn einer Antwort. Es geht eben nicht darum. Ja, Wladimir Putin ist ein aggressiver Autokrat. Aber den Widerspruch, der im Artikel beklagt wird, darauf zu reduzieren ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Seit Beginn (oder Verschärfung) der ukrainischen Krise gibt es wenig ausgewogene Berichterstattung. Ja, diese Ausgewogenheit darf von den Lesern erwartet werden, auch wenn dies im Artikel in Frage gestellt wird, mit der Begründung, dass es um die  Legitimität des Völkerrechts geht. Und das rechtfertigt eine indoktrinäre Berichterstattung? Nach dem Motto, dass dies das Volk sowieso nicht begreift?  Man mag es nicht glauben.

In den Medien (auch in den sogenannten Leitmedien) wird immer wieder unterstellt, dass jeder, der auch nur ansatzweise die Handlungen der EU und der USA in Frage stellt, einer Annexion der Krim das Wort redet. Der demagogische, diffamierende Begriff des Putinverstehers ist allgegenwärtig. Den oben erwähnten Bürgern, Wählern und Lesern scheint nicht zugetraut zu werden, selbst zu urteilen. Darüber bin ICH bestürzt. Und es fehlt mir jedes Verständnis für diese Denkweise. Auch wenn die Medien sich selbst als Getriebene darstellen. Die Medien sollen ihren Lesern nicht nach dem Mund reden, beziehungsweise schreiben. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber man darf nicht larmoyant werden, wenn nicht alle der Meinung ausgewählter Autoren folgen.

Es für viele Menschen unbegreiflich, und für einige auch unerträglich, wie dogmatisch derart komplexe Vorgänge wie in der Ukraine pauschal in schwarz und weiß, beziehungsweise gut und böse unterteilt werden. Um es noch einmal klarzustellen, Russlands Griff nach der Ukraine, einschließlich der Krim, ist zu verurteilen. Dafür gibt es kein Verständnis, wohl aber Erklärungen. Und die sind sehr nötig, um die Krise zu meistern. Und dazu gehört die unbequeme Frage, welchen Beitrag der Westen geleistet hat, dass die Situation sich jetzt so darstellt. Nur wenn man diese Fragen ehrlich beantwortet, finden sich Lösungen. Es hilft nicht, sich auf einen moralischen Sockel zu stellen, dessen Fundament man in der Vergangenheit durch seine eigenen Handlungen schwer beschädigt hat. Wenn man die Argumentation vieler Politiker und Medien konsequent zu Ende denkt, muss man einen Krieg gegen Russland zumindest mal in Betracht ziehen. Die Äußerungen des tschechischen Präsidenten sind da nicht ganz eindeutig. Ist das gewollt?  Kein Mensch will den Krieg aber in Politik und Medien entsteht der Eindruck, dass man diesen zumindest in Kauf nehmen würde. Wenn kritischen Stimmen dann noch unisono diffamiert werden, braucht man sich nicht zu wundern.

Ich glaube, dass die ukrainische Krise für viele, die hier als Putinversteher gebrandmarkt werden, einfach  ein Anlass ist, ihre Unzufriedenheit auszudrücken.  Es ist tatsächlich so: Zitat: Die Mehrheit empfindet nicht nur gegenüber Washington diese unheilvolle Mischung von fremder Anmaßung und eigener Ohnmacht, sondern auch gegen Brüssel. Im Fall der Krimkrise kommt beides zusammen. Zitatende.

Die Menschen empfinden eine zunehmende Differenz zwischen sich und ihren, zugegeben gewählten, Vertretern. Das Resultat ist eine unterschwellige, bisweilen offene, zunehmend aggressive  Unzufriedenheit. Politiker und Parteien werden ohnmächtig verachtet, zum Teil als Vasallen der USA begriffen, die Medien als ihre Erfüllungsgehilfen gesehen. Die Foren der Online-Ausgaben großer Tages- und Wochenzeitungen sprechen da Bände.  Und das ist richtig gefährlich.

ZITAT: Die EU spannt gern mal ein Drahtseil über ihre Legitimationslücken und tanzt darauf Tango. ZITATENDE.

Besser kann man es nicht ausdrücken. Wer spaltet Europa wirklich? Europa als Institution entfernt sich immer mehr von seinen Bürgern –und das ist die Ursache der Spaltung. Putin nimmt sich, was sich anbietet.

Ich finde den Artikel gut, erstellt aus meiner Sicht viele richtige Fragen. Meine persönlichen Antworten sehen anders aus aber das ist eben Meinungsfreiheit.