Wie lang soll die Brücke sein?

Kerkwitzer Ansichten

Kerkwitzer Ansichten

Es ist diese verdammte Ungewissheit. „Horno ist das letzte Dorf, das der Braunkohle weichen muss!“ verkündete in den neunziger Jahren Manfred Stolpe, damals Ministerpräsident Brandenburgs. Heute, im Jahre 2014 scheint es eine der üblichen Politikerfloskeln zu sein: ausgesprochen, vergessen. Horno, zumindest die alte sorbische Siedlung, ist verschwunden. Aber irgendwie scheint sich keiner mehr an Herrn Stolpes Versprechen zu erinnern. Keiner? Nicht ganz.

Ich sitze in Kerkwitz, einem Dorf mit knapp  fünfhundert Einwohnern in der Nähe von Guben in der Niederlausitz. Ich möchte wissen, wie es in einem Dorf aussieht, das von der Abbaggerung bedroht ist. Mein Gesprächspartner ist Andreas Stahlberg. Der Fünfundvierzigjährige ist Mitarbeiter der Gemeinde Schenkendöbern, zu der auch Kerkwitz gehört. Er ist verantwortlich für den Bereich „bergbaubedingte Sonderaufgaben“, direkt dem Bürgermeister unterstellt. Und diese Sonderaufgaben gibt es reichlich. Der Tagebau Jänschwalde, nicht weit von der Gemeinde Schenkendöbern, sorgt heute schon für Probleme. Abgesenktes Grundwasser, Schäden an Straßen und Gebäuden, Lärm, Staub und regelmäßige Sandstürme sind Dinge, die die Einwohner beschäftigen. Und um die sich Andreas Stahlberg kümmert. Wann ist ein Schaden ein Bergschaden? Eine typische Frage. Aber es soll noch dicker kommen.

Andreas Stahlberg erzählt: „Im Jahre 2004 wurde Horno umgesiedelt und der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe hat den Bürgern hier zugesichert, Horno sei das letzte Dorf, welches in der Lausitz umgesiedelt werden soll. Darauf haben sich die Bürger verlassen. Die Eintragungen aus DDR-Zeiten, dass die Gegend ein Vorbehaltsgebiet ist, sind gelöscht worden. Dann kam 2007 die Ankündigung von Vattenfall, dass hier ab 2025 ein neuer Tagebau entstehen soll. Seit dem weiß man eben nicht, wie es weitergeht.“ Vorbehaltsgebiet, ein Begriff aus der Regionalplanung, ist letztendlich ein Damoklesschwert für die betroffenen Gemeinden. Konkret hieß das zu DDR-Zeiten, dass die Braunkohleförderung, so sie als wirtschaftlich einigermaßen sinnvoll erachtet wurde, Vorrang vor der Erhaltung der Siedlungsstrukturen hatte. Das schien für Kerkwitz vom Tisch. Dann kam Vattenfall. Und wollte den Tagebau Jänschwalde-Nord. Nun liegt zwischen Ankündigung und Abbau ein ziemlich langer Weg. Das Braunkohleplanverfahren für Jänschwalde-Nord ist 2009 eröffnet worden. Im Jahre 2011 gab es einen sogenannten Scoping-Termin, wo unter Mitwirkung der Behörden festgelegt wurde, was bezüglich der Umweltauswirkungen des neuen Tagebaues untersucht werden muss. Dieser Termin sollte innerhalb von drei Monaten ausgewertet werden. Gedauert hat es schließlich ein Jahr. 2015 sollte der Braunkohleplan eigentlich schon beschlossen sein und momentan existiert noch nicht mal ein Entwurf. Andreas Stahlberg ist überzeugt, dass der Tagebau nicht kommt. „Vattenfall und die Landesregierung sagen, dass der neue Tagebau für ein Neubaukraftwerk am Standort Jänschwalde zur Verfügung stehen soll, welches mit CCS Technik gebaut werden soll.“ Das bedeutet die Abspaltung des entstehenden Kohlendioxids und seine Lagerung in tiefen Gesteinsschichten. Proteste in den Gebieten, die für eine CO2 -Einlagerung vorgesehen waren, führten letztendlich zu einer CCS-Gesetzgebung in Deutschland, die eine kommerzielle Nutzung des Verfahrens  für Kohlekraftwerke unmöglich macht. Aber es ist eben nicht sicher. Und so lange ist auch die Zukunft des Dorfes ungewiss. Und es zermürbt natürlich. Sicher, Vattenfall versucht zunächst die gütliche Einigung, die in den meisten Fällen auch gelingt, denn der Druck ist riesig. Vattenfall nennt es selbst den „Lausitzer Weg“. Der rein materielle Aspekt ist relativ lukrativ. Andreas Stahlberg: „Es gibt ein Haus für ein Haus, eine Feuerwehr für eine Feuerwehr. Schwierig wird es wenn es um Ländereien geht. Die Landwirte haben letztendlich weniger Fläche.“ Am Ende erlaubt die Bergbaugesetzgebung in Deutschland die Enteignung bei erteilten Genehmigungen. Übriges auf der Grundlage eines Gesetzes, welches erst in den 1930er Jahren dahingehend geändert wurde, dass besiedeltes Gebiet enteignet werden kann. Ein Gesetz aus der Nazizeit als Grundlage? Das hat einen Beigeschmack. Dessen scheint sich auch Vattenfall bewusst zu sein, denn der „Lausitzer Weg“ beinhaltet nicht nur die Entschädigung bei Umsiedlung. Der schwedische Konzern tritt bereits heute als Sponsor in der Region auf. Dorffeste werden unterstützt, bei Bedarf auch Gerät für die dörflichen Feuerwehren finanziert, Vereine wie Energie Cottbus und die „Füchse“ Weisswasser erhalten Zuwendungen. Vattenfall lässt sich die Stimmung in der Region einiges kosten. Und Vattenfall ist in den lokalen Strukturen hervorragend vernetzt. Es gibt einen Verein „ Pro Lausitzer Braunkohle“, der, so Andreas Stahlberg, von Vattenfall mitfinanziert wird. Dort sitzen Bundestags- und Landtagsabgeordnete. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer ist im Vorstand von Vattenfall. Die Wirtschaftinitiative Lausitz wurde vom schwedischen Konzern ins Leben gerufen. Die Gewerkschaft, auf Seiten der Braunkohle stehend, stellt viele Bundestagsabgeordnete in verschiedenen Parteien. Die Interessen prallen aufeinander. Denn es geht im Kern auch um die Lausitz als Industriestandort und somit um Arbeitsplätze. Verschiedene Studien sprechen von ungefähr zehntausend direkten und indirekten Arbeitsplätzen, die von der Kohle abhängen. Die Zahlen in den Studien gehen allerdings weit auseinander und sind nicht ohne weiteres verifizierbar. Das macht eine objektive Bewertung sehr schwer. Fakt ist, Vattenfall ist der größte Einzelarbeitgeber in der Region. Die Lausitz zeigt  mit der Braunkohle Anzeichen einer wirtschaftliche „Monokultur“. Das sind gewichtige Argumente, zumal Arbeitnehmer auch immer Wähler sind. Und es geht um sichere Energie. Aber muss das die Braunkohle sein? Die Verstromung von Braunkohle ist eine Brückentechnologie. Aber wie weit reicht die Brücke in die Zukunft? „Ein Strukturwandel ist machbar“, stellt Andreas Stahlberg fest. Wenn die Akzeptanz des Tagebaues in der Bevölkerung sink, sinkt auch die politische Unterstützung. Bei der Strategischen Umweltprüfung, die für die Neueröffnung zwingend ist, ist es vorgeschrieben festzustellen, ob es Alternativen gibt. „Das heißt nicht, dass es alternative Tagebaue geben muss“, so Andreas Stahlberg. Das Ziel des Braunkohleplanes sei nicht die Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern die sichere Energieversorgung. Die Frage ist letztendlich, ob es alternative Wege gibt, den Strom zu erzeugen. In der Lausitz gibt ein hohes Potential für alternative Energien, viele freie, rekultivierte Flächen, dünn besiedelte Gebiete. Die Lausitz hat sich bereits als Energieregion profiliert. „Ich glaube, dass es auch weiterhin so bleiben wird“, ist sich mein Gegenüber sicher. Die Braunkohle ist irgendwann zu Ende, egal, wie lange sie letztendlich noch gefördert wird. Und dann muss ohnehin ein Strukturwandel stattfinden. Nur der Preis dafür wird höher, je länger man mit dem Strukturwandel wartet.

Was bleibt, ist die Unsicherheit. Die Menschen in Kerkwitz sind zuversichtlich. Noch einmal Andreas Stahlberg:“ In den letzten zwei, drei Jahren tut sich hier wieder einiges. In den ersten vier, fünf Jahren nach der Ankündigung war hier so ein richtiger Stillstand. Es wurde nur noch repariert. Wir hatten lange Zeit keinen Zuzug von Familien mehr. Jetzt bleiben die Familien wieder hier. Man muss sagen, dass die Leute, die jetzt hier bauen, auch tatsächlich aus Protest bauen. Sie sagen, wir wollen hier bleiben. Ich kenne die Leute und ich weiß, es ist ihnen ein inneres Bedürfnis zu zeigen: dieses Dorf soll erhalten bleiben.“

Die Braunkohle polarisiert die Menschen in der Lausitz. Pro oder Contra? Von der Beantwortung dieser Frage hängt die Zukunft der Region ab.

Es geht nur noch um Kohle

Gleich zu Beginn gibt es die volle Ladung, emotional gesehen. In Proschim, in der Lausitz zwischen Senftenberg und Spremberg, entdecke ich das Schild. Die Grenze des Königreichs Schweden.

Proschimer Ansichten

Proschimer Ansichten

Anhalten und fotografieren. Es passt genau zu dem, was ich vorhabe. Als ich vor dem Schild stehe, habe ich den ersten Gesprächspartner. Ein älterer Herr spricht mich an: „So viele Dörfer sind schon verschwunden!“ Und dann bricht es förmlich aus ihm heraus. Die Angst, dass sein Dorf, sein Hof dem Tagebau weichen soll. Dem Tagebau Welzow II, der in dieser Gegend geplant ist. Die Wut, auf die Politik, die dies nicht verhindert und die die Menschen belügt, auf die VATTENFALL-Leute, die für ihren Gewinn hemmungslos Landschaften zerstören. Ich kann kaum antworten. Zu schnell prasseln die Fakten auf mich ein. Ich schaue mich um. Proschim macht den Eindruck eines funktionierenden, lebendigen Dorfes. Das ist in dieser sogenannten strukturschwachen Region nicht immer die Regel. Ein zweiter, jüngerer Mann gesellt sich hinzu, spricht auch über diese Problematik. Der Zorn und die Angst der Leute sind verständlich. Lebensraum  und über Jahrzehnte Geschaffenes einfach aufgeben, geht das? Kann das irgendeine Entschädigung aufwiegen? Schwer vorstellbar… Ich bin der Braunkohle auf der Spur. Ein Rohstoff, dessen Endprodukte, Strom und Briketts vor allem, Tausende Arbeitsplätze in der Region halten und dessen Abbau gleichzeitig immense Zerstörungen verursacht. In der Umwelt und in den sozialen Strukturen. Braunkohle scheint kurzfristig unverzichtbar und mittelfristig nicht haltbar. Aber ist das wirklich so? Gibt es wirklich keine Alternative zur Braunkohle und ist ein Leben mit der Kohle tatsächlich nicht realisierbar? Ein paar Kilometer entfernt von Proschim liegt das ehemalige Haidemühl. Dort kriegt man einen Eindruck, was Devastierung bedeutet, dem klinischen Ausdruck für das Wegbaggern von Dörfern. Gespenstisch…

 

Haidemühl nach der Devastierung

Haidemühl

Tagebaue wandern. Wenn das Flöz, welches in der Lausitz oft nur zwanzig Meter stark ist, abgebaggert ist, zieht die ganze Anlage weiter. Bis zu vierhundert Meter im Jahr legt beispielsweise der Tagebau Nochten zurück. Und da er sich nicht in Sibirien befindet, stehen Ortschaften hin und wieder im Weg. Was tun damit? Weg damit, sagen die Kohleverantwortlichen, die Vattenfall-Leute. Ihr könnt Euch ein neues Dorf bauen, ein viel schöneres, so das Versprechen. Ansonsten seid ihr schuld am Verlust von Arbeitsplätzen. Wollt ihr schuldig sein? Na, also!

Ist es das alles wert, fragen die Skeptiker, die, die sich für Realisten halten. Klar, Braunkohle ist wichtig, vor allem wegen der Arbeitsplätze. Es muss doch irgendwie möglich sein, beides in Übereinstimmung zu bringen, jeder Seite gerecht zu werden. Industrie und Naturschutz und Siedlungstrukturen. Man kann doch über alles reden.

Nein, sagen die Gegner, die Betroffenen und die, die sich betroffen fühlen. Menschen, deren Familien teilweise seit Jahrhunderten auf den Höfen leben, die einem Tagebau weichen sollen. Einem Tagebau, der in spätestens zwanzig oder dreißig Jahren bereits wieder vergessen sein wird. Umweltschützer, denen der Verlust an Natur nicht den aus ihrer Sicht kurzfristigen Gewinn wert ist.

Die Braunkohle in der Lausitz bedeutet einen gewaltigen Widerspruch zwischen wirtschaftlichen Zwängen und dem Preis, der dafür bezahlt wild. Einige Aspekte dieses Spagats möchte ich in diesem Blog in der nächsten Zeit „beleuchten“. Mein erster Gesprächspartner wird Andreas Stahlberg sein. Er arbeitet in der Gemeinde Schenkendöbern bei Guben, zu der auch das Dorf Kerkwitz gehört. Kerkwitz liegt im „Zielgebiet“ des geplanten Tagebaues Jänschwalde-Nord. Andreas Stahlberg ist zuständig für alle Fragen, die es in der Gemeinde zum Thema Tagebau und Braunkohle gibt.

Demnächst mehr…

Shakespeare Reloaded im RUDI

Shakespeare…hmm, damit konnte ich bisher noch nicht viel anfangen. Die älteren Semester im Osten erinnern sich vielleicht noch den Film „Sieben Sommersprossen“. Da war auch was mit Shakespeare. War aber eher Nebensache, …zumindest aus Sicht der damaligen Konsumenten. Danach hatte ich mit dem Alten aus Stratford keine weiteren Berührungspunkte. Ich muss zu meiner (kulturellen) Schande gestehen, dass mir seine Werke nicht geläufig sind.

Letzte Woche lud mich eine Freundin in’s Theaterhaus „RUDI“ in Dresden ein. Shakespeare stand auf dem Plan, „Shakespeare Reloaded“, um genauer zu sein. Eine Gruppe junger Leute findet einen neuen Weg zum alten Meister. Viele seiner Klassiker in einem Stück. Mehr wurde nicht verraten. Aber es klang interessant. Ich bin Neuinterpretationen „anerkannter kultureller Denkmäler“ sowieso nicht abgeneigt. Und ich war völlig unvoreingenommen, denn meine Kenntnisse der Materie…siehe oben.

PANOPTISCHAU- eine Gruppe junger Theaterfreaks, legte los. Minimales Bühnenbild, eigentlich nur Getränkekästen, vorwiegend dunkel gekleidete Akteure und hemmungsloses Spiel. Eine Art „Prolog im Himmel“, gut, da musste ich an einen anderen Oldtimer der Kulturgeschichte denken, in dem sich Gott und Teufel langweilen und einen Kerl namens Shakespeare beauftragen, eine Geschichte zu schreiben. Eine Gruppe Leute, die bei einem Flugzeugabsturz um’s Leben kommen, „darf“ noch mal. Und es geht ab… Da werden Prinzen erstickt, Rivalinnen gemeuchelt, Liebhaber gefressen, Tanten ermordet und Taugenichtse ersäuft. Zwei Stunden Monologe, Dialoge, Kämpfe. Alles mit vollem Körpereinsatz, keinerlei Textschwächen. Adaptierte Shakespeare-Plots am laufenden Band. Hamlet stirbt bei einem Duell? Dachten wir bisher. Hier wird er Opfer eines durchgeknallten Wissenschaftlers, der mit ihm dubiose Experimente durchführt. Und so geht es weiter. Dabei immer mit Shakespear‘schen Originalzitaten, deutsch und englisch.

In Gestalt eines Lammes hast du die Tat einer Löwin vollbracht.

In Gestalt eines Lammes hast du die Tat einer Löwin vollbracht.

Mitreißende Akteure, die alles geben und eine interessante Sichtweise, die sehr modern daher kommt. Keine alter Stoff mit neuer Sprache sondern neuer Stoff (und was für einer) mit alter Sprache.

Fazit: Absolut sehenswert!

Mehr Informationen über PANOPTISCHAU gibt es hier… Das gezeigte Bild stammt aus dieser Quelle!

 

 

Dresden-Murmansk-Dresden. Die Heimkehr.

17.08.2014

Es ist ein seltsames Gefühl. Wieder zu Hause. Nach neun Wochen. Und es ist ein gutes Gefühl. Die Rückreise verlief unspektakulär. Es schien kein nennenswertes Wasser mehr im Motor zu sein. Eine längere Instandsetzung ist dennoch nötig. Der Verschleiß war hoch. Die Reise auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk hat dem Material alles abverlangt. Fast neuntausend Kilometer standen zum Schluss auf dem Tacho.

Es waren aufregende und anstrengende Wochen. Manches Mal habe ich mich unterwegs gefragt, ob es denn eine gute Idee war, diese Tour zu machen. Jetzt, eine Woche nach der Rückkehr, bin ich mir sicher, dass es gut war. Und ich werde wieder dorthin fahren. Nicht mit dem Motorrad, zumindest nicht mit der URAL. Die ist mittlerweile doch zu betagt.

Der Alltag hat mich noch nicht wieder eingeholt. Mein Sabbatical endet am 31. August. Noch ein paar Tage Zeit, die Gedanken zu sortieren, noch einmal durchzuatmen.

Hier noch einmal die Karte der gesamten Tour. Wer nocheinmal wissen möchte, wie alles begann, kann hier klicken.

 

URAL connects people

08.08.2014

Morgen geht es endgültig nach Hause. Eigentlich wollte ich drei Tage vor der endgültigen Heimfahrt (also am Mittwoch) nur ein paar Kleinigkeiten an der URAL erledigen. Schrauben nachziehen, Öl auffüllen, alles solche Dinge. Und ich erlebe ein Desaster. Der Anlasser gibt nur ein klägliches Klicken von sich. Batterie runter? Wäre nicht schön aber eigentlich noch keine Katastrophe. Zum Glück habe ich ja einen Kickstarter. Los geht’s und es passiert-nichts. Der Motor lässt sich nicht mal durchdrehen. Mir wird erstmal ganz anders. Also Kerzen rausschrauben und noch einmal versuchen. Aus dem linken Kerzenloch kommt eine fingerdicke Wasserfontäne. Aus der rechten Öffnung quillt es nicht so stark, aber immerhin auch. Ja, Wasser. Ich bin fassungslos. Am Vortag und in der Nacht hatte es durchgängig geregnet und das Motorrad stand leicht schräg. Die Öffnung für den Luftfilter zeigt bei der URAL nach oben. Und das ist eine, gelinde gesagt, dämliche Lösung. Das Wasser ist bis zum Zylinderkopf durchgelaufen. Und nun? Und nun habe ich erstmal schlechte Laune. Hilft aber auch nicht weiter. Also ran an die Arbeit. In der Wald- und Wiesenwerkstatt Zylinder ziehen habe ich vorher auch noch nicht gemacht.

Russische Feldschmieder

Russische Feldschmiede

Aber was bleibt mir übrig. Ich versuche, die Wasser-Öl-Emulsion so gut wie es geht zu entfernen. Es ist eine einzige Schweinerei.

Begeisterung pur

Begeisterung pur

Danach Vergaser reinigen, Luftfilter reinigen. Ich bin total begeistert. Am Abend habe ich alles wieder zusammen. Fremdstartkabel ans Auto und los. Nur anspringen will das Gerät nicht. Ein paar müde Huster, dann wieder Stille. Ich beschließe, auch im Interesse der Nachbarn, alles Weitere auf Donnerstag zu vertagen.

Der Donnerstag beginnt mit einer nochmaligen Ventileinstellung, einer weiteren Vergaserreinigung und einer zusätzlichen Reinigung und Trocknung des Luftfilters. Gegen Mittag läuft sie endlich, wenn auch noch nicht rund. Zumindest kriegt sie soweit Temperatur, dass ich das Öl komplett ablassen kann. Die Brühe, die dann rauskommt, sieht aus wie Milchkaffee. Gekostet habe ich nicht. Dann erstmal mit dem Auto zur Tankstelle, noch eine Ladung Öl holen. Es wird nicht der letzte Ölwechsel sein. Inzwischen ist es wieder Abend. Noch einen Ausflug zur Eisengießerei in der Nähe. Nein, keine URAL-Teile besorgen. Ebbemala Bruk ist eine alte Gießerei aus dem neunzehnten Jahrhundert. Dort gibt es heute „historisches“ Schaugießen. Sehr anschaulich, man kommt wenigstens mal auf andere Gedanken. Es ist schon ärgerlich, die Urlaubstage mit Fehlersuche zuzubringen. Am Abend noch eine, diesmal angenehme, Überraschung. In der Nachbarschaft wohnt ein schwedischer Dneprfahrer. Er ist auf meine URAL aufmerksam geworden. Und bietet an, auf seinem Grundstück, einer alten Schule, weiterzuschrauben. Allemal besser als auf der Wiese…

Der Freitag beginnt wie der Donnerstag. Doch es gibt einen Fortschritt. Das Problem lässt sich auf einen Zylinder eingrenzen. Dummerweise ist es der auf der Beiwagenseite, wo man „gut“ rankommt. Die URAL läuft nur bei gezogenem Choke rund. Also weiter mit den Vergaserstudien. Aber erstmal noch ein Ölwechsel, um den letzten Öl-Wasser-Schlamm loszuwerden. Tommy, so heißt der schwedische Nachbar, hat einen Kumpel aus Litauen, der sich gut mit den russischen Geräten auskennt, wie sich herausstellt. Alles Öl nochmal raus und einen halben Liter Diesel eingefüllt. Damit wird der Motor „kalt“ durchgedreht und die Restbrühe wieder abgelassen. Nochmal neues Öl drauf, jetzt sollte es gehen. Der Vergaser gibt mehr Rätsel auf. Am Ende bauen wir ihn komplett auseinander, reinigen ihn mit Druckluft und wechseln zur Sicherheit noch die Membran. Und dann…geht’s! Na bitte! Es gibt noch Kaffee und belegte Brote von Karin, Tommys Frau. Die beiden leben in dieser alten Schule, um, wie sie sagen, ein etwas langsameres Leben zu führen. Er tischlert Möbel und sie malt Bilder. Alles in beschaulicher Umgebung zwischen Wäldern und Seen. Ja, so kann’s laufen. Morgen geht’s auf der URAL zurück nach Dresden. Von Murmansk. Auf drei Rädern und nicht auf dem Anhänger. Die letzten von fast neuntausend Kilometern. Nach neun Wochen werde ich wieder daheim sein.

„Es wird mittlerweile als erwiesen angesehen.“

Dieser Satz begegnet mir in Variationen in den Medien täglich mehrmals. Und ich mag ihn mittlerweile nicht mehr lesen noch hören. Worum geht es? In der Ukraine, also in Europa, tobt ein Bürgerkrieg. Ein Krieg, dessen Ursachen lange zurückliegen. Nicht erst die Ereignisse auf dem MAIDAN haben ihn verursacht und auch nicht die „kalte“ Annexion der Krim durch Russland. Dies waren höchstens die Auslöser. Wer verstehen will, warum die Kriegsparteien aufeinander einschlagen, muss bis in die Zeit der Sowjetunion zurückgehen und ebenfalls die Jahre unmittelbar nach ihren Zerfall betrachten – siehe „Stalins Erben und die Arroganz der Sieger“. Die Situation in der Ukraine ist, nach allem, was man in den Medien erfährt, eine Katastrophe, in allererster Linie für die Bevölkerung. Die Separatisten kämpfen, die ukrainische Armee kämpft, und zwischendrin versuchen Menschen zu überleben, die dort einfach nicht mehr weg können. Und das Überleben scheint von Tag zu Tag schwerer zu werden. Mit dem Abschuss der malaysischen Boeing – wer auch immer diesen Abschuss zu verantworten hat- sollte auch dem letzten Ignoranten klar geworden sein, dass dies kein Konflikt von regionaler Bedeutung mehr ist. Die direkten Kriegsparteien können sich wohl nicht mehr einigen. Zuviel Unvorstellbares ist auf beiden Seiten passiert. Dieser Konflikt kann nur noch von außen beendet werden. Durch eine Einigung des Westen, in diesem Falle der EU und der USA auf der einen Seite und Russlands auf der anderen. Und hier wird aus meiner Sicht ein unverantwortliches Spiel gespielt- von beiden Seiten. Seit Monaten hört man nichts Anderes als Schuldzuweisungen und Drohungen. Der Westen verhängt Sanktionen und die russische Regierung kontert mit der Erhöhung der Energiepreise. Wenn nicht soviele Menschen darunter leiden würden und soviel europäische Zukunft auf dem Spiel stehen würde, könnte man fast darüber lachen. Es erinnert mich an eine Geschichte aus meinem Lesebuch der ersten Klasse – „Die zwei kleinen Ziegenböcke“. Am Ende lagen beide im Wasser.

Ja, Russland hat riesige Demokratiedefizite. Siebzig Jahre Sowjetmacht stalinistischer Prägung waren ein Fluch und ein Albtraum für dieses Land. Es wird noch lange brauchen, um diese Zeit wirtschaftlich und gesellschaftlich zu überwinden. Zu groß ist noch die Überzeugung, dass das Ende der Sowjetunion und der damit verbundene Verlust des Supermachtstatus‘ ein historisches Unrecht ist. Ich habe sie in Sankt Petersburg, in Archangelsk, in Murmansk gesehen, die Parolen „Danke, Großvater für den Sieg!“ An Autos von jungen Menschen, deren Großväter im Krieg wahrscheinlich selbst noch Kinder waren. Hier entsteht, oder existiert wahrscheinlich schon, eine gefährliche Bunkermentalität. Wir gegen die. Und der Westen tut viel dafür. Ich denke, das System Putin ist für Russland auf Dauer nicht gut. Aber das Verhalten des Westens, seine Politik, seine Medien arbeiten ihm zu. Russland wird mit Schuldzuweisungen überhäuft, Beweise werden angekündigt und bleiben dann aus. „Es wird mittlerweise als erwiesen angesehen!“ Ist es erwiesen oder nicht? Der Abschuss eines Passagierflugzeuges ist eine Katastrophe, die man sich als Nichtbetroffener wohl kaum vorstellen kann. Und wenn es aus Kalkül geschieht, ein ungeheuerliches Verbrechen. Bevor man allerdings jemanden eines derartigen Verbrechens bezichtigt, sollte man Argumente, sprich Beweise, haben. Das Verbrechen ohne Beweise zu instrumentalisieren ist moralisch fragwürdig. Niemand reagiert gelassen, wenn er mit einem derartigen Vorwurf konfrontiert wird. Die ZEIT geht hier, wie so oft, wieder einmal mit „gutem“ Beispiel voran. „Der Krieg wird nicht am Absturzort entschieden“– so der Titel eines Kommentares von CARSTEN LUTHER vom 31.07.2014.

ZITAT: Doch parallel zu den territorialen Verlusten wird die militärische Ausstattung der Rebellen besser. Nur so konnte es zum Abschuss des Malaysia-Airlines-Passagierflugzeugs kommen. ZITATENDE.

Es steht also bereits fest, zumindest für Herrn Luther, wer hier der Verbrecher ist. Demgegenüber meldet die FAZ am 02.08.2014 dass Ermittler aus den Niederlanden und Australien am Absturzort nach Ursachen suchen. Vielleicht sollte Herr Luther sein Wissen den Ermittlern zur Verfügung stellen.

Zugegeben, die ukrainische Armee geht auch nicht gerade zimperlich vor, wie der ZEIT-Artikel festhält:

ZITAT: Human Rights Watch macht auch der ukrainischen Armee Vorwürfe: Sie habe wenig präzise Grad-Raketen (die aber ebenfalls von den Separatisten eingesetzt werden) in dicht bewohnten Gebieten eingesetzt. Die Organisation spricht von Kriegsverbrechen. ZITATENDE.

Aber das geht für Herrn Luther völlig in Ordnung:

ZITAT: Die zusammengewürfelten und teils schlecht ausgebildeten ukrainischen Truppen kämpfen mit allem, was ihnen zur Verfügung steht. ZITATENDE.

Denn sie haben ja keine Wahl:

ZITAT: Mit jedem Raketenwerfer, jeder Kiste Munition, jedem Kämpfer, der von russischer Seite über die Grenze ins Land gelangt, hat die Ukraine immer weniger die Wahl: Sie muss ihre Militäroffensive gegen die Separatisten im Osten fortsetzen. Denn Russland ist offenbar nicht bereit, irgendetwas zu unternehmen, um den Nachschub für die Milizen zu unterbinden oder sich auch nur von ihnen deutlich zu distanzieren. ZITATENDE

Auch hier werden die alten Vorwürfe ohne jeden Beleg wiederholt. Um es einmal noch einmal klarzustellen: wenn Russland die Separatisten unterstützt, ist die internationale Gemeinschaft gefordert dies zu unterbinden. Genauso wie sie dann gefordert ist, das Vorgehen der ukrainischen Armee und der Nationalgarde zu stoppen. Die Vorwürfe müssen allerdings belegt werden, sonst wird genau das Gegenteil erreicht. Jede Seite fühlt sich im Recht und ermutigt, weiter zu machen. Und inzwischen sterben Menschen für perverse Machtspiele aller beteiligten Parteien. Mit Artikeln wie dem oben zitierten leisten die Medien der Eskalation Vorschub. Wir haben Meinungsfreiheit. Solange keine Gesetze verletzt werden, darf jeder schreiben, was er will. Meinungsfreiheit bedeutet aber auch, dass niemand per se die Deutungshoheit über Ereignisse beanspruchen kann. Behauptung statt Argumentation als Stilmittel? Behauptungen sollte man im eigenen, journalistischen, Interesse belegen können. Es ist mittlerweile als erwiesen anzusehen, dass Teile der deutschen Medienlandschaft ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben. Und das ist für eine demokratische Gesellschaft, die wir trotz aller Schwierigkeiten sind, niemals gut.

 

Vorläufiges Finale

Ich bin angekommen. Bei den drei wichtigsten Menschen, die es für mich gibt. Ein Ferienhaus in Bleckinge län, in Südschweden. Hier klingt die Reise auf der URAL von Dresden nach Murmansk und zurück erst einmal aus, bevor es zurück nach Dresden geht. Die letzten Tage seit Uppsala waren Motorradfahren pur. Ich habe noch eine Zeltplatzbetreiberin aus der Schweiz getroffen, die sich in Schweden einen Lebenstraum erfüllt, Autoschrauber aus Hamburg, die mit ihren amerikanischen Oldtimern auf Tour sind und jede Menge andere freundliche und hilfsbereite Menschen. Die Zeltplatzbetreiberin war geschäftstüchtig genug, mir um Mitternacht noch Bier zu verkaufen und von den Schraubern habe ich gelernt, dass ein Verbrauch von zwölf Litern auf hundert Kilometer geradezu sparsam ist. Wenn man einen Motor von sechs Litern Hubraum hat… Ein wenig Fachsimpeln über amerikanische und russische Autos, da kommt man schon ins Träumen. Die URAL hat sich auf der Reise anständig gehalten. Wenn man von den Zündungsproblemen absieht, die ich mit „Bordmitteln“ beheben konnte, lief die Maschine störungsfrei. Und dass über achttausend Kilometer, die mitunter nicht so ganz einfach waren. Russische Straßen sind doch etwas Besonderes. Noch ein paar Worte zur Technik. Ich war mit einem 750cm³-URAL-Gespann unterwegs, welches ich im Jahre 2001 in Deutschland gekauft habe, damals fabrikneu. Außer dem Anbau eines Ölkühlers und einer leistungsstärkeren Ölpumpe habe ich technisch nichts verändert. All die Geschichten über das unabdingbare Austauschen aller russischen Lager und ähnlichen Horror habe ich ignoriert. Mittlerweile hat die URAL knapp sechzigtausend Kilometer „auf der Uhr“ und ein Ende ist nicht abzusehen. Reisen haben mich damit nach Skandinavien (2004), nach Sibirien (2008) und jetzt nach Murmansk geführt. Sicher gab es Pannen und sicher mussten auch einmal Teile (vorzeitig) getauscht werden. Aber Motor, Getriebe und Kupplung sind original. Der Ölverbrauch liegt im Rahmen. Wenn ich darüber nachdenke, was mir über die Jahre an technischem Ungemach vorhergesagt wurde, finde ich die bisherige Laufleistung recht akzeptabel. In Russland selbst war die Maschine immer wieder ein „Hingucker“. Ich wurde oft darauf angesprochen und oft sehr anerkennend. Es ist klar, dass es weitaus bessere Technik gibt aber hier zählte wohl der Symbolwert. Die bisher zurückgelegt Strecke gibt es unter diesem Link. Noch einmal Atem holen vor dem letzten Ritt auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk – und zurück. Auch das Sabbatical geht zu Ende. Im September werde ich wieder arbeiten gehen.

Stockholm schlägt Uppsala

23.07.2014

Stockholm ist mir zu anstrengend. Zumindest der Verkehr. Aber gesehen haben muss ich es. Was liegt näher, als sich ein Basislager in der Nähe zu suchen, die URAL stehen zu lassen, und sich fahren zu lassen? Meine Wahl fällt auf Uppsala, keine hundert Kilometer von der schwedischen Hauptstadt entfernt. Uppsala selbst, als alte Universitätsstadt, scheint auch nicht uninteressant zu sein. Ich muss Prioritäten setzen, Stockholm gewinnt. Von Uppsala kenne ich also nur den Weg vom Zeltplatz zum Bahnhof. Stockholm Central spuckt mich aus. Mitten hinein in’s Gewühl. Ein Kulturschock, meine letzte Begegnung mit einem derartigen Hotspot war in Sankt Petersburg. Archangelsk und Murmansk spielen, natürlich, nicht in dieser Liga, so interessant, wie es dort war. Es ist voll. Und es ist heiss. Ich habe nur diesen einen Tag Zeit, also absolviere ich das touristische Grundprogramm. Königspalast, Parlamentsgebäude, Gamla Stan, die historische Altstadt, die Anlegestelle für Ausflugsboote aller Art. Die Altstadt ist nicht uninteressant, enge Gassen, Geschäfte, Kneipen, Menschen.

Gamla Stan

Gamla Stan

Man kann hier gut die Zeit rumbringen. Einzigartig ist es allerdings nicht. Es ist wirklich schön dort aber dieses Flair gibt es auch in Warschau, Tallinn, Prag… Es ist wieder das alte Lied, ein Tag für eine derartige Stadt geht nicht. Russland holt mich allerdings auch hier ein. Ein Mittagessen bei Olga.

Bei Olga - wir sprechen russisch

Bei Olga – wir sprechen russisch

Es wird tatsächlich Russisch gesprochen. Dann finde ich noch ein Highlight – die Fotografiska, das Fotomuseum in Stockholm, direkt am Ufer gelegen, mit wohl dem schönsten Blick auf die Altstadt.

Blick auf die Altstadt

Blick auf die Altstadt

Die Fotografiska ist aus meiner Sicht ein MUSS für einen Stockholmbesuch. Faszinierende Bilder, gerade in schwarz-weiß, was mich besonders begeistert. Und Videoinstallationen, die ich nur als atemberaubend bezeichnen kann. Es ist schwer, diese Eindrücke in Worte zu fassen. Ich schlendere durch die Altstadt zurück zum Bahnhof. Stockholm ist es wert, gesehen zu werden.

Auch eine Marke

Auch eine Marke

Nur braucht es seine Zeit. An nur einem Tag wirkt die Stadt wie ein beliebiges Museum. Und bin mir sicher, dass es hier faszinierend sein kann.

Stockholmer Ansichten

Stockholmer Ansichten

Auf dem Zeltplatz komme ich mit einem Russen ins Gespräch, der mit seiner Familie in Finnland lebt. Ausgangspunkt war wieder einmal mein nicht alltägliches Fortbewegungsmittel. Wir reden, russisch, über dies und jenes. Über meine Reise nach Russland, über die Darstellung Russlands in deutschen Medien. Mitten im Gespräch will er wissen, seit wann ich eigentlich in Deutschland lebe. Interessante Fragestellung…

Langsam setzt sich bei mir der Gedanke fest, dass es schön ist, wieder nach Hause zu kommen…Weiter auf dem Motorrad nach Süden über Norrköping und Västervik.

Die aktuelle Route gibt’s unter diesem Link.

Gibt es in Schweden Hufeisennasen?

21.07.201

Eine Brücke. Und mitten durch das Weltkulturerbe, kaum zu glauben. Ich bin etwas irritiert. Wie kann das gehen? Aber das Bauwerk ist real. Und riesig.

Högakustenbrücke

Högakustenbrücke

Die Hohe Küste, eine eiszeitlich geformte Landschaft ungefähr fünfhundert Kilometer nördlich von Stockholm, zählt tatsächlich zum Weltkulturerbe. Nach dem Verschwinden des Inlandeises der letzten Eiszeit hat sich das Land bisher mehrere hundert Meter gehoben. Und es geht weiter. Der Druck des Eises muss immens gewesen sein, dass dieser Vorgang noch nicht zu Ende ist. Geformt wurde eine einzigartige Landschaft mit Fjorden, umgeben von Felsen. Und über einen dieser Fjorde spannt sich bei Örnsköldsvik eine gewaltige Brücke. Aber irgendwo muss die E4 ja schließlich langgehen. Brücke und Weltkulturerbe müssen sich nicht ausschließen, obwohl das von Ort zu Ort offensichtlich verschieden gesehen wird. Hufeisnnasen scheint es keine zu geben. Ich kann nirgendwo ein Tempo-30- Schild entdecken.  Ich bin mit dem Motorrad in Schweden auf dieser E4 unterwegs in Richtung Stockholm. Hier ist Bilderbuchschweden. Blauer Himmel, grüne Landschaft, rote Häuser, Seen, alles da. Es ist fast unwirklich. Fast wundert es mich, an der Tankstelle nicht vom Fräulein Langstrumpf bedient zu werden.

Hohe Küste

Hohe Küste

Die Kilometer gehen dahin. Die URAL gibt allerdings besorgniserregende Geräusche von sich, deren Herkunft ich noch nicht einordnen kann. Die Wege in Russland haben offensichtlich Spuren hinterlassen. Es sind noch eintausendfünfhundert Kilometer bis nach Dresden. Also beobachten und weiterfahren. Und vorwichtig behandeln. Am Abend finde ich mich in Hölick wieder. Eine Halbinsel in der Ostsee und ein ehemaliges Fischerdorf. Auch hier Postkartenmotive ohne Zahl. Liegt ein wenig abseits der Fahrtroute, ist aber sehr ansehnlich. Und ich fahre nach Süden. Die Tage werden kürzer und die Nacht ist hier tatsächlich fast dunkel. Das nächste Ziel heißt Stockholm.

Die bisherige Tour gibt’s unter diesem Link

Der lange Weg nach Hause

Ich bin auf dem Weg nach Hause. An Russland erinnern nur noch gelegentliche Hinweisschilder nach Murmansk mit immer größer werdenden Zahlen. Von Inari sind es vierhundertvierzig Kilometer nach Tornio, der Stadt an der finnisch-schwedischen Grenze. Vierhundertvierzig Kilometer grüne Eintönigkeit. Zugegeben, die Vegetation wird höher, je weiter man nach Süden vordringt. Die Rentiere, die den Weg kreuzen, oder ihn manchmal auch völlig in Anspruch nehmen, werden weniger. Ansonsten wechseln sich Seen und Wälder in endloser Reihenfolge ab, unterbrochen von einigen ziemlich gleich aussehenden Siedlungen. Rovaniemi zieht vorbei. Den Polarkreis lasse ich hinter mir. Wieder fahren, Kilometer fressen, Sonnenschein und Regen. Eine endlose Straße. Dann Tornio, die Grenzstadt.

Tornio- Die Grenze

Tornio- Die Grenze

Ich steuere den Zeltplatz an. Mein letzter Besuch in Tornio fand im März statt, anlässlich der RAJALTA RAJALLE. Ich finde, im Sommer sieht Tornio deutlich vorteilhafter aus. Man betreibt hier auch definitiv andere Sportarten als im Winter.

Subarktischer Sommersport

Subarktischer Sommersport

Es geht weiter. Entlang der E4 nach Süden. Ich möchte noch nach Stockholm, um der Gleichförmigkeit zu entgehen. Die URAL läuft, die Straßen sind gut. Die Reise auf dem Motorrad von Dresden nach Murmansk findet seine Fortsetzung. Byske ist ein Megazeltplatz. Riesig und laut. Eigentlich nicht mein Geschmack. Aber ich bin zu müde zum Weiterfahren.

Der aktuelle Weg unter diesem Link