Es geht nur noch um Kohle

Gleich zu Beginn gibt es die volle Ladung, emotional gesehen. In Proschim, in der Lausitz zwischen Senftenberg und Spremberg, entdecke ich das Schild. Die Grenze des Königreichs Schweden.

Proschimer Ansichten

Proschimer Ansichten

Anhalten und fotografieren. Es passt genau zu dem, was ich vorhabe. Als ich vor dem Schild stehe, habe ich den ersten Gesprächspartner. Ein älterer Herr spricht mich an: „So viele Dörfer sind schon verschwunden!“ Und dann bricht es förmlich aus ihm heraus. Die Angst, dass sein Dorf, sein Hof dem Tagebau weichen soll. Dem Tagebau Welzow II, der in dieser Gegend geplant ist. Die Wut, auf die Politik, die dies nicht verhindert und die die Menschen belügt, auf die VATTENFALL-Leute, die für ihren Gewinn hemmungslos Landschaften zerstören. Ich kann kaum antworten. Zu schnell prasseln die Fakten auf mich ein. Ich schaue mich um. Proschim macht den Eindruck eines funktionierenden, lebendigen Dorfes. Das ist in dieser sogenannten strukturschwachen Region nicht immer die Regel. Ein zweiter, jüngerer Mann gesellt sich hinzu, spricht auch über diese Problematik. Der Zorn und die Angst der Leute sind verständlich. Lebensraum  und über Jahrzehnte Geschaffenes einfach aufgeben, geht das? Kann das irgendeine Entschädigung aufwiegen? Schwer vorstellbar… Ich bin der Braunkohle auf der Spur. Ein Rohstoff, dessen Endprodukte, Strom und Briketts vor allem, Tausende Arbeitsplätze in der Region halten und dessen Abbau gleichzeitig immense Zerstörungen verursacht. In der Umwelt und in den sozialen Strukturen. Braunkohle scheint kurzfristig unverzichtbar und mittelfristig nicht haltbar. Aber ist das wirklich so? Gibt es wirklich keine Alternative zur Braunkohle und ist ein Leben mit der Kohle tatsächlich nicht realisierbar? Ein paar Kilometer entfernt von Proschim liegt das ehemalige Haidemühl. Dort kriegt man einen Eindruck, was Devastierung bedeutet, dem klinischen Ausdruck für das Wegbaggern von Dörfern. Gespenstisch…

 

Haidemühl nach der Devastierung

Haidemühl

Tagebaue wandern. Wenn das Flöz, welches in der Lausitz oft nur zwanzig Meter stark ist, abgebaggert ist, zieht die ganze Anlage weiter. Bis zu vierhundert Meter im Jahr legt beispielsweise der Tagebau Nochten zurück. Und da er sich nicht in Sibirien befindet, stehen Ortschaften hin und wieder im Weg. Was tun damit? Weg damit, sagen die Kohleverantwortlichen, die Vattenfall-Leute. Ihr könnt Euch ein neues Dorf bauen, ein viel schöneres, so das Versprechen. Ansonsten seid ihr schuld am Verlust von Arbeitsplätzen. Wollt ihr schuldig sein? Na, also!

Ist es das alles wert, fragen die Skeptiker, die, die sich für Realisten halten. Klar, Braunkohle ist wichtig, vor allem wegen der Arbeitsplätze. Es muss doch irgendwie möglich sein, beides in Übereinstimmung zu bringen, jeder Seite gerecht zu werden. Industrie und Naturschutz und Siedlungstrukturen. Man kann doch über alles reden.

Nein, sagen die Gegner, die Betroffenen und die, die sich betroffen fühlen. Menschen, deren Familien teilweise seit Jahrhunderten auf den Höfen leben, die einem Tagebau weichen sollen. Einem Tagebau, der in spätestens zwanzig oder dreißig Jahren bereits wieder vergessen sein wird. Umweltschützer, denen der Verlust an Natur nicht den aus ihrer Sicht kurzfristigen Gewinn wert ist.

Die Braunkohle in der Lausitz bedeutet einen gewaltigen Widerspruch zwischen wirtschaftlichen Zwängen und dem Preis, der dafür bezahlt wild. Einige Aspekte dieses Spagats möchte ich in diesem Blog in der nächsten Zeit „beleuchten“. Mein erster Gesprächspartner wird Andreas Stahlberg sein. Er arbeitet in der Gemeinde Schenkendöbern bei Guben, zu der auch das Dorf Kerkwitz gehört. Kerkwitz liegt im „Zielgebiet“ des geplanten Tagebaues Jänschwalde-Nord. Andreas Stahlberg ist zuständig für alle Fragen, die es in der Gemeinde zum Thema Tagebau und Braunkohle gibt.

Demnächst mehr…

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